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- Ur- und Frühgeschichte: DFG fördert FAU-Projekt
Unterschlupf im arktischen Klima
- Zur Jagd ziehen die Bewohner Grönlands
heute mit moderner Ausrüstung, doch noch vor wenigen Jahrzehnten
hinterließen ihre Vorfahren in Höhlen und unter Felsüberhängen
Spuren einer Lebensweise, die der von eiszeitlichen Jägern
und Sammlern in Europa nicht allzu fern lag. Solche gut erhaltenen
Belege können dazu verhelfen, Funde aus der Eiszeit sachkundiger
zu deuten und mehr darüber zu erfahren, wie die Menschen
damals lebten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dem Institut
für Ur- und Frühgeschichte von Prof. Dr. Ludwig Reisch
zu diesem Zweck Geländestudien in der Arktis ermöglicht.
Mit Unterstützung der Fa. Karrimor steckten die Archäozoologin
Kerstin Pasda M.A. und der Urgeschichtler Dr. Clemens Pasda im
August 1999 in einem ersten vierwöchigen Aufenthalt im Sisimiut-Distrikt
das Untersuchungsfeld ab.
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- Feuerstellen, Stein- und Geweihgeräte
oder Tierknochen, die Archäologen bei Ausgrabungen freigelegt
haben, zeigen, daß die Menschen während der Eiszeit
in Europa den Schutz von Höhlen und überhängenden
Felsen zu schätzen wußten. Aus den vorliegenden Relikten
mehr darüber abzulesen, wie sich das Leben dieser Jäger
und Sammler bis vor etwa 10.000 Jahren abspielte, ist jedoch
nicht einfach. Schwierig sind auch Rückschlüsse auf
natürliche Vorgänge, die dazu führten, daß
Spuren zerstört wurden oder aber bis in unsere Zeit erhalten
blieben.
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- Zusätzliche Ausgrabungen in Europa könnten
helfen, solche Fragen zu beantworten, wären aber zeitaufwendig
und teuer. Ein anderer Zugang bietet sich über Untersuchungen
in Gebieten, in denen jägerische Bevölkerungen heute
noch Höhlen und Felsüberhänge nutzen. Solche Studien
wurden bisher allerdings selten und nur in tropischen und subtropischen
Gebieten durchgeführt, die mit dem eiszeitlichen Mitteleuropa
kaum etwas gemeinsam haben. Arktische Regionen eignen sich besser
für den Vergleich. Von Alaska bis Grönland nutzten
Jäger noch im 20. Jahrhundert Höhlen und Felsüberhänge,
und Belege für historisches menschliches Verhalten sind
in diesem Klima hervorragend konserviert. Zwar jagten die Menschen
im eiszeitlichen Mitteleuropa in Tundren und Steppen, weit vom
Meer entfernt, während die an der Küste lebenden Eskimo
auf die Jagd von Walen und Robben spezialisiert waren. Im Sommer
jedoch waren Rentiere im Binnenland vor dem grönländischen
Inlandeis eine bevorzugte Beute, so daß Parallelen zu den
Jagdgewohnheiten der Eiszeit-Jäger bestehen.
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- Ein traditionelles Rentierjagdgebiet der
Eskimo - die sich selbst als Inuit bezeichnen - liegt in einem
Inlandstreifen von etwa 150 km Breite im Sisimiut-Distrikt in
Westgrönland. Die Nähe zum Zentralflughafen Kangerlussuaq
macht diesen Distrikt als Arbeitsgebiet für Wissenschaftler
attraktiv. Bodenkundler, Geomorphologen und Glaziologen arbeiten
hier daran, Rückschlüsse auf die Bedingungen in Mitteleuropa
vor über 10.000 Jahren zu finden. Für das Gebiet existieren
detaillierte archäologische, ethnohistorische und archäozoologische
Untersuchungen; kein Teil der Insel ist hinsichtlich Ressourcennutzung,
Siedlungs- und Sozialorganisation besser beschrieben. Nur vor
dem Hintergrund dieses Wissens ist es möglich, die Nutzung
von Höhlen durch Inuit zu verstehen.
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- Für die gezielte Suche nach Spuren der
Nutzung durch Jäger bietet sich dieses Gebiet also an. Auch
die weit verstreuten Hinweise und Erwähnungen von Höhlen
in den Schriften von Missionaren, Völkerkundlern und anderen
Forschungsreisenden müssen zusammengetragen und ausgewertet
werden. Herauszufinden, welche Konsequenzen die Art der Nutzung,
arktisches Klima und Tierwelt für die Erhaltung und Sichtbarkeit
von Funden und Befunden haben, ist der nächste Schritt.
Erst dann kann versucht werden, diese Erkenntnisse auf das eiszeitliche
Mitteleuropa zu übertragen.
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- Mit leichtem Gepäck
- Im August 1999 erfolgte eine erste, vierwöchige
Geländebegehung im Sisimiut-Distrikt. Entdeckte Fundstellen
wurden genau vermessen, gezeichnet und beschrieben. Damit das
Gepäck während des Aufenthalts in unbewohntem und weglosem
Gelände nicht zu schwer wog, nahmen die Forscher außer
einem kleinen, satellitengesteuerten Gerät zur Positionsbestimmung
der Fundstellen nur einfache Instrumente mit, wie Maßband,
Meterstab, Kompaß, Höhenmesser und ein Geländebuch.
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- An Felsblöcken, -verbrüchen und
-wänden in Tälern, auf Hochflächen und an Seeufern
fanden sich unzählige kleine Höhlen und Überhänge.
Um nur etwa fünf Kilometer eines Geländeabschnittes
zu begehen, war deshalb manchmal ein ganzer Tag erforderlich.
Zum Übernachten erscheinen diese Plätze teilweise ideal.
Sie bieten nicht nur Schutz vor Wind und Feuchtigkeit; gleich
nebenan wachsen außerdem Zwergweiden als mögliches
Brennmaterial. Trotz solch guter Bedingungen und trotz der großen
Auswahl lieferten Feuerstellen nur an zwei Felsüberhängen
den Beweis dafür, daß Menschen hier gelagert hatten.
Bisher sind solche Belege in Grönland generell sehr viel
dünner gestreut als Siedlungsfunde aus der Eiszeit in Mitteleuropa.
Beim Vergleich ist zwar Vorsicht geboten, da Ausgrabungen in
europäischen Höhlen seit mehr als hundert Jahren stattfinden.
Dennoch fällt auf, daß z. B. im unteren Altmühltal
oder im Périgord fast überall, wo Felsen Schutz boten,
auch Spuren eiszeitlicher Siedler zu finden waren.
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- In Grönland dagegen wurden Felsblöcke
und -überhänge sogar in der Umgebung eines großen,
über Jahrtausende hin regelmäßig aufgesuchten
Rentierjagdplatzes nur selten genutzt, wie dänische Wissenschaftler
herausfanden. Immerhin ergaben die Erlanger Untersuchungen ein
differenziertes Bild: große Felsblöcke bildeten die
"Rückwand" stabiler Hütten; in ihren Nischen
fanden sich, mit kleinen Steinplatten verschlossen, Verstecke
für die Ausrüstung. Geröllhaufen, zum Teil an
große Blöcke angelehnt, bargen erbeutetes Fleisch.
Kleinere, mit Steinmauern versehene Felsen dienten als Windschutz
oder als Jagdansitz beim Warten auf Rentiere. Daß Gräber
oder "Opferstätten" im Schutz von Felsen angelegt
wurden, Reisende dort traditionellerweise übernachteten
oder aus dörflichen Gemeinschaften Ausgeschlossene sich
länger dort aufhielten, konnte dagegen nicht belegt werden,
obwohl es schriftliche Zeugnisse dafür gibt. Schon jetzt
aber können die Ergebnisse bei der Interpretation eiszeitlichen
Fundstellen in Europa nützlich sein.
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- Rentier oder Höhlenbär?
- Auch Grönlands Tierwelt hält sich
gern in Felsnischen und unter Felsüberhängen auf, wie
das Team aus Erlangen feststellen konnte. Singvögel, Schneehühner
und Eisfüchse waren hier regelmäßig zu sehen.
Rentiere und Moschusochsen graben zum Teil an nur schwer erreichbaren
Stellen große Kuhlen. Das läßt vermuten, daß
auch in der Eiszeit in Europa nicht nur Bären oder Großkatzen
die Böden in Höhlen und unter Felsüberhängen
"bearbeiteten".
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- Ein weiterer wichtiger Gegenstand der Geländestudie
waren Knochen von Tieren, wie sie sich in der Tundra in großer
Häufigkeit finden: meist einzeln und verstreut, zusammengetragen
von Vögeln und Eisfüchsen, aber auch in Form natürlich
verendeter Tiere. Sie wurden gezeichnet, vermessen und nach Skeletteil,
Tierart, Alter, Geschlecht, Brüche, Fraßspuren von
Tieren usw. bestimmt. So kann heute in Grönland beobachtet
werden, was mit den von Archäologen ausgegrabenen Knochen
in der Eiszeit Mitteleuropas vor Jahrtausenden geschah.
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- · Kontakt:
Dr. Clemens Pasda, Institut für Ur- und Frühgeschichte
Kochstraße 4/18, 91054 Erlangen, Tel.: 09131/85 -26677,
-29286, Fax: 09131/85 -26394
E-Mail: cspasda@phil.uni-erlangen.de
- Mediendienst FORSCHUNG Nr. 569 vom 01.02.2000
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Stand: 02.02.2000