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- Gesellschaft:
Anglo-German Foundation fördert FAU-Gemeinschaftsprojekt
Wandel im Verhältnis von Markt und Staat
- Wenn der Stromverkauf für den Wettbewerb
freigegeben wird und breite Auswahl, aber auch Verwirrung auf
dem jungen Markt für Telekommunikation herrschen, mag das
so wirken, als ob das Spiel von Angebot und Nachfrage die "von
oben" geregelte Versorgung schlichtweg abgelöst habe.
Doch Liberalisierung ist nicht mit einem völligen Rückzug
des Staates gleichzusetzen. Tiefgreifende Veränderungen
sind allerdings zu beobachten: in der Wahl der Instrumente etwa,
die beim Umgang mit öffentlichen Gütern eingesetzt
werden, im Kreis derer, die daran beteiligt sind, und in den
Denkweisen und Erwartungen, die sich im veränderten Handeln
niederschlagen. Eine umfassende Zusammenschau dieses vielschichtigen,
länderübergreifenden Prozesses streben Prof. Dr. Roland
Sturm vom Institut für Politische Wissenschaft der FAU und
Prof. Stephen Wilks von der University of Exeter in einem Gemeinschaftsprojekt
an. Die Deutsch-Britische Stiftung für das Studium der Industriegesellschaft
hat das Projekt, das auf deutscher Seite von Markus Müller
bearbeitet wird, in ihr Förderprogramm aufgenommen.
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- Privatisierung von ehemals öffentlichen
Unternehmen ist nur ein - wenngleich recht augenfälliges
- Beispiel für den Wandel, den das Verhältnis von Staat
und Markt in den modernen Industriestaaten Europas innerhalb
der letzten 20 Jahre erfahren hat. Das deutsch-britische Wissenschaftlerteam
geht davon aus, daß hier eine grundlegende Neuorientierung
der politischen Ökonomie stattgefunden hat, die sich mit
Detailstudien nicht mehr hinreichend erfassen läßt.
In einem übergreifenden Ansatz soll deshalb das Untersuchungsfeld
"Markt und Staat" neu abgesteckt werden. Neue Probleme
und Chancen sollen erkannt und erörtert und die nicht mehr
aktuellen Fragen aussortiert werden, damit die Politikwissenschaft
nicht den Anschluß an die realen Entwicklungen verliert.
Im Entwurf eines übergeordneten Interpretationsrahmens für
die veränderten Beziehungen zwischen Staat und Wirtschaft
sollen als wesentlicher Bestandteil die handlungsleitenden Ideen
enthalten sein, die dem Wandel zugrundeliegen. So wird beispielsweise
der These nachgegangen, ob am Ende des Jahrtausends eine "neue
Ordnung" steht, die Gerechtigkeit und gesellschaftlichen
Ausgleich nicht mehr gegen den Markt zu erreichen sucht, sondern
stattdessen gerade über den Markt herstellen will.
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- Regulatorische Regime
- An zentraler Stelle des Untersuchungsansatzes
steht der Begriff der Regulierung, der ausgelotet, auf seine
Reichweite getestet und konkretisiert werden soll. Alles, was
von staatlicher Seite unternommen wird, um auf die privatisierte
Produktion und Verteilung öffentlicher Güter einzuwirken,
kann darunter gefaßt werden. Reformen des Unternehmensrechts
sind ebenso dazu zu zählen wie die Einrichtung neuer Institutionen
oder ein Verhandlungsstil, der sich im Typus von früheren
unterscheidet. Das staatliche Vorgehen kann dabei in ähnlichen
Fällen recht unterschiedlich ausfallen: für Telekommunikation
und den Transport von Briefen und anderen Gütern wurde nach
der Umgestaltung der Bundespost eigens eine Regulierungsbehörde
eingerichtet, die Postbank allerdings untersteht keiner solchen
Aufsicht. Der Weg der Stromversorgung in die Privatwirtschaft
wird nicht von einer öffentlichen Regulierungsstelle begleitet;
dennoch wirkt der Staat auch hier regulierend, verhandelt etwa
mit den Beteiligten über die Bedingungen, zu denen das vorhandene
Leitungsnetz genutzt werden kann, oder setzt eine "erzwungene
Selbstregulierung" in Gang: durch die Androhung, einzugreifen,
falls keine Einigung zustandekommt. Für derartige Abläufe,
die verwendeten Instrumente, die Akteure und ihre Beziehungen
ist der Sammelbegriff "Regulatorische Regime" geprägt
worden.
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- Andere wichtige politisch-ökonomische
Teilaspekte sind ebenfalls um neu gebildete Begriffe gruppiert.
So steht "stakeholder capitalism" für verantwortungsbewußtes,
an gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen orientiertes Wirtschaften,
im Gegensatz zum "shareholding", das nur der Rendite
gilt. "Corporate governance" bezeichnet einerseits
mögliche Auswirkungen unterschiedlicher Verfassungen von
Unternehmen auf deren Markterfolg; andererseits kann darunter
auch der Einfluß großer Unternehmen auf gesellschaftliche
Entwicklungen verstanden werden, die Machtstellung einer nicht-öffentlichen,
aber wirkungsvollen Regierung.
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- Politische Innovationen verbreiten sich in
unseren Tagen schnell international, und das positiv oder negativ
beurteilte Beispiel anderer Länder wird oft in Entscheidungsprozesse
einbezogen. Das Augenmerk der Politikwissenschaftler ist deshalb
auch auf "policy-learning" gerichtet, auf die Versuche,
von Erfahrungen im Ausland zu profitieren. Für das Projekt
selbst wird ein erheblicher Vorteil davon erwartet, daß
eine Synthese der beobachtbaren Wandlungsprozesse aus deutsch-britischer
Perspektive angestrebt ist. Die gemeinsame Beurteilung von industriestaatlichen
Entwicklungen der vergangenen beiden Jahrzehnte soll den Blick
für Unterschiede und Ähnlichkeiten schärfen und
helfen, Entwicklungslinien herauszuarbeiten. Im Spannungsfeld
von Divergenz und Konvergenz hofft man jene Bedingungen zu finden,
die gegeben sein müssen, um voneinander zu lernen.
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- Das als theoretisch-synoptische Arbeit angelegte
Forschungsprojekt kann auf eine Fülle vorhandener empirischer
Detailstudien zurückgreifen. Neben der Auswertung dieses
reichhaltigen Materials ist geplant, Expertenwissen zu nutzen,
jedoch nicht mit Hilfe von Interviews, sondern in einer neuen,
bisher noch sehr ungewöhnlichen Form. Führungskräfte
aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft beider Länder sollen
in Positionspapieren mit Aussagen zur derzeitigen Lage und zur
künftigen Entwicklung auf dem Gebiet der politischen Ökonomie
konfrontiert werden. Die Stellungnahmen und Ergänzungen
dieser Focus-Gruppe sollen für fundierte Kritik und zusätzliche
Anregungen sorgen.
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- Die Anglo-German Foundation for the Study
of Industrial Society hat das Vorhaben mit dem Titel "Regulierung
im Wandel" in ihrem Förderprogramm als "major
grant", also als Großprojekt mit entsprechender Mittelausstattung
eingestuft.
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- · Kontakt:
Prof. Dr. Roland Sturm, Markus Müller M.A., Lehrstuhl für
Politische Wissenschaft I
Kochstraße 4, 91054 Erlangen, Tel.: 09131/85 -22370, -29009,
Fax: 09131/85 -22371
E-Mail: MSMULLER@phil.uni-erlangen.de
- Mediendienst FORSCHUNG Nr. 569 vom 01.02.2000
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
pressestelle@zuv.uni-erlangen.de
Stand 01.02 2000