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Neue Fakten und Theorien über langfristige globale Trends und die
aktuelle Lage in Deutschland
Organisierte Kriminalität - Realität oder Hirngespinst?
Spätestens seit dem 11.September 2001 ist die Verbindung von Organisierter
Kriminalität, politischer Unterdrückung und internationalem Terrorismus
weltweit deutlich geworden. Eine klare Trennlinie zwischen Terrorismus und
Organisierter Kriminalität existiert nicht mehr, eine Symbiose deutet sich
an. In dieser Situation veröffentlicht der Lehrstuhl für Soziologie und
Sozialanthropologie der Universität Erlangen-Nürnberg unter dem Titel
"Organisierte Kriminalität - oder gesellschaftliche Desorganisation?" zwei
hochaktuelle Publikationen als Ergebnis mehrjähriger Forschungen.
In Form von ausschließlich wirtschaftlich orientierten Unternehmen hat es
Organisierte Kriminalität praktisch nie gegeben, daher ließ sich
Organisierte Kriminalität faktenmäßig und gerichtsfest nur selten
nachweisen. Sie galt vielen daher lange Zeit als Hirngespinst. Jetzt ist es
jedoch erstmals möglich, aufgrund von empirischen Forschungen nachzuweisen,
dass im Schnittbereich zwischen Politik und Wirtschaft die virulente, systemgefährdende
Effektivität der Organisierten Kriminalität nicht nur existiert, sondern
auch wirksam agiert. Wenn die Organisation El Qaida wirtschaftliche Erfolge
zu politischen Zwecken einsetzt und politische Erfolge umgekehrt in Profite
ummünzt, so liegt Organisierte Kriminalität in Reinform vor. Während
Wissenschaft und Öffentlichkeit debattieren, ist Organisierte Kriminalität
zu einem globalen Problem geworden.
In der westlichen Welt werden legitime Ziele und Mittel der Gesellschaft
gleichzeitig von zwei Seiten radikal in Frage gestellt: Zum einen versuchen
terroristische Gruppierungen ihre Wertvorstellungen gewaltsam durchzusetzen.
Zum anderen wird die Verteidigung der demokratischen Ordnung gegen die
Organisierte Kriminalität zum Anlass rigoroser Maßnahmen zum Schutz der
verfassungsmäßigen Ordnung genommen, die die Rechte und die
Bewegungsfreiheit der Staatsbürger massiv einzuschränken drohen.
Legitime Grauzone?
Die langfristige Betrachtung des Problems liefert empirisch fundierte
Diagnosen zur halbstaatlichen Beschaffungskriminalität, die in der
Weltgeschichte nichts Neues ist. Der Aufstieg Großbritanniens zur
dominierenden Weltmacht wäre in der Anfangsphase ohne Piraterie undenkbar
gewesen, aber auch der Aufstieg der Bolschewisten in Russland ging mit
systematischer, langjähriger krimineller Gewaltanwendung und Erpressung
einher. Ebenso beruhte der Aufstieg des Nationalsozialismus auf
weitreichender krimineller Energie. Die Flut der aktuellen Meldungen über
Ereignisse aus dem Bereich des Terrorismus und der Organisierten
Kriminalität stellen nichts Neues dar, sie spiegelt lediglich das
Wiederaufleben der Verbindung von Kriminalität und Politik.
Die Verbindung von Politik und Kriminalität beruht auf der Maxime "Der Zweck
heiligt die Mittel". Dies ist deshalb so gefährlich, weil nicht nur
Terroristen so argumentieren, sondern auch Politiker, die
Verfassungsänderungen durchsetzen wollen. Die Liste derartiger
Reformvorhaben ist lang und reicht vom Einsatz der Bundeswehr im Innern bis
hin zur Einführung biometrischer Merkmale in Personalausweisen. Organisierte
Kriminalität betrifft somit jeden.
Praxisbericht: Organisierte Kriminalität in Deutschland
Die Analyse der langfristigen internationalen Entwicklung wird durch
konkrete empirische Befunde über die Entwicklung der Organisierten
Kriminalität in Deutschland ergänzt. Wissenschaftler unterschiedlicher
Fachrichtungen - Soziologen, Juristen, Psychologen und Volkswirte sowie
Praktiker aus dem Bereich des Rechtswesens und der Polizei - stimmen in der
Einschätzung der aktuellen Situation in Deutschland in einigen wesentlichen
Befunden überein. So z.B. in der Einschätzung, dass die wirklich gefährliche
Organisierte Kriminalität dort ist, wo wir bisher nicht danach gesucht
haben. Dies ist nicht ganz zufällig, denn sowohl im Bereich Politik als auch
im Bereich Wirtschaft gibt es genug Mittel und Wege Nachforschungen bereits
im Vorfeld entgegenzuwirken.
Neu: Streit erwünscht
Insbesondere die Soziologie und Empirische Sozialforschung haben die
gesellschaftliche Funktion und Verpflichtung, aufklärend zu wirken. Dabei
muss eine realistische Diagnose der tatsächlichen Geschehnisse - auch auf
der Hinterbühne und im Untergrund der Gesellschaft - erstellt werden, die
auch für die Praxis brauchbar ist.
Ein Novum dieser Publikation: Entgegen der in der Wissenschaft meist
üblichen anonym erfolgenden Begutachtung, sind in der vorliegenden
Publikation Kritik und Polemik gegenüber den in den Beiträgen referierten
Befunden mit veröffentlicht. Denn auch in der Wissenschaft ist das
Offenlegen der gesamten Meinungsbildung notwendig, um den Mut zur
unzensierten Meinungsäußerung gegen Zitationskartelle und
Verteilungsnetzwerke zu fördern.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Henrik Kreutz
Dr. Jan Wessel
Tel.: 0911/5302-690
E-Mail:
henrik.kreutz@wiso.uni-erlangen.de
Mediendienst FORSCHUNG Nr. 655 vom 14.2.2003
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
pressestelle@zuv.uni-erlangen.de