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Prof. Dr. Karl-Dieter Grüske

Rede anlässlich der Rektoratsübergabe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am 18. April 2002

Gedanken zum neuen Amt

 


Abb. 1:Rektor Prof. Dr. Karl-Dieter Grüske
Abb. 2:Nach der Amtsübergabe: Der alte und der neue Rektor der Universität Erlangen-Nürnberg, Prof. Dr. Gotthard Jasper und Prof. Dr. Karl-Dieter Grüske .
 
 
Die offizielle Verleihung dieser Amtskette, Herr Staatminister, Hohe Festversammlung, verstehe ich nicht nur als einen symbolischen Akt, sondern empfinde dies auch ganz persönlich als die Übertragung von großer Verantwortung für unsere alma mater, eine Institution mit langer Tradition. So ist es wohl kein Zufall, dass es Amtsketten oder vergleichbare Amtsinsignien vor allem bei Kirchen und Städten gibt, die wie Universitäten zu den weltweit wenigen Einrichtungen zählen, die Jahrhunderte überdauert haben. Gleichzeitig weist die Bezeichnung "Amtskette" ihrem Träger die Verantwortung für ein Amt zu, das in diesem Falle schon seit 258 Jahren existiert.
 
Ist also die Überschrift zum letzten Teil dieses Festaktes falsch? "Gedanken zum neuen Amt" steht da - für eine Position also, die alles andere als neu ist. Hinzu kommt, dass das Bayerische Hochschulgesetz dem Rektor als Vorsitzendem des Leitungsgremiums einer Hochschule ganz bestimmte Aufgaben und juristische Vorgaben, Rechte und Pflichten zuweist, die äußeren Rahmenbedingungen für dieses Amt also festliegen. Und das erschöpft sich nicht nur darin, dass mir formal mitgeteilt wurde, dass ich jetzt nicht mehr zum wissenschaftlichen, sondern zum nichtwissenschaftlichen Personal der Universität gehöre.

Ämter sind aber nicht nur mit bestimmten Funktionen verbunden, sondern es kommt entscheidend darauf an, wie diese Funktionen ausgeführt werden, und das hängt ganz wesentlich mit den Personen zusammen, die ein solches Amt ausüben. Deshalb bezieht sich eine Rektoratsübergabe eben auch nicht auf das Amt selbst, sondern ausschließlich auf die betroffenen Personen. Martin Luther meinte treffend dazu: "Man muss die zwei weit unterscheiden: Amt und Person".
Und insofern gibt es neben einer objektiv vorgegebenen Sichtweise eines Amtes auch eine zweite, eine subjektive Sicht aus der individuellen Perspektive eines jeden neuen Amtsinhabers ­ und für ihn ist dieses Amt natürlich neu, und er muss es jeweils neu ausfüllen. In diesem Sinne ist es nicht nur legitim, sondern auch grundsätzlich notwendig, sich über diese neue Aufgabe intensiv Gedanken zu machen. Das betrifft
- erstens die Einordnung in die vorgegebenen Strukturen und das Umfeld staatlicher Universitäten
- zweitens die Antworten auf neue Herausforderungen,
- und drittens die Vision unserer Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in diesem Gesamtkontext.
 
Lassen Sie mich deshalb zunächst zur Bedeutung von staatlichen Universitäten im heutigen Umfeld kommen, und das aus meiner fachbezogenen bildungsökonomischen Sicht. Danach ist staatliches Eingreifen in einer Marktwirtschaft immer dann begründet, wenn der Markt bestimmte Güter nicht zur Verfügung stellt, obwohl sie in gesamtwirtschaftlichem und gesellschaftlichem Interesse liegen. Im Falle von staatlichen Universitäten geht es - durchaus im Einklang mit dem Humboldtschen Ideal der Einheit von Forschung und Lehre ­ um die Produktion von Humanvermögen ­ verzeihen Sie diesen ökonomischen Fachterminus. Eine staatliche Beteiligung ist hier deshalb erforderlich, weil es sich für den Markt unter Kosten- und Risikoabwägungen nur in wenigen Fällen rechnet, Forschung und Lehre privatwirtschaftlich zu erstellen.
Für den Rektor einer klassischen Universität bedeutet das, dass er eben gerade auch Fächer erhalten und fördern muss, die in einer rein marktwirtschaftlichen Perspektive verschwinden würden. Der gesellschaftliche Bildungsauftrag bezieht sich dabei nicht nur auf direkt ökonomisch verwertbares Wissen, sondern darüber hinaus auf Grundlagenforschung und kulturelles Wissen in einem weiten Sinne. Und gerade hier würde der Markt alleine völlig versagen.
 
Gleichzeitig sind Bildung und wissenschaftliche Erkenntnisse eine der entscheidenden Faktoren für Wachstum und Einkommen, Lebensstandard und Arbeitsplätze in unserer Wissensgesellschaft. Ökonomisch untermauert wird dies durch zahlreiche Untersuchungen, die in Verbindung mit der Neueren Wachstumstheorie vor allem dem technischen Fortschritt die wesentliche Bedeutung zumessen, dabei aber auch der Frage nachgehen, wie dieses Wissen entsteht, wie es mit den Rahmenbedingungen verknüpft ist und wie es letztlich über vernetzte Funktionalzusammenhänge zum ökonomischen Wachstum in einem Staat beiträgt. In Bezug auf unser Land ist dazu festzuhalten, dass Bildung und Wissen, Forschung, und Information im Grunde den einzigen Rohstoff darstellen, den wir besitzen. Den Universitäten kommt aus dieser Perspektive eine herausragende Rolle zu.
 
Wie sieht die Realität vor diesem Hintergrund aus? Wenn man den Anteil der öffentlichen Hochschulausgaben am Bruttoinlandsprodukt heranzieht, liegt Deutschland nach der neuesten OECD-Studie unter den Industrieländern auf einem nicht akzeptablen 17. Platz. Und wenn man meint, z.B. die USA würden uns zeigen, wie dieses Problem der staatlichen Zurückhaltung privatwirtschaftlich zu lösen ist, verkennt man, dass gerade dort der staatliche Anteil weltweit an der Spitze liegt, gegenüber Deutschland z.B. um etwa 40% höher. Während wir rund 9.000 $ jährlich pro Student ausgeben, liegt der vergleichbare Wert in Amerika bei mehr als dem Doppelten, nämlich bei etwa 20.000 $. Die Finanzierungslücke für Hochschulen in Deutschland beträgt derzeit rund 40 Milliarden jährlich, und die Lücke wäre noch weit höher, wenn wir amerikanische Verhältnisse haben wollten, wie es die Öffentlichkeit und die Politik häufig fordern. Zu Lasten der Universitäten ist die Politik seit langem nicht mehr bereit, die früheren bildungspolitischen Entscheidungen zur Expansion von Hochschulen in ausreichendem Maße finanziell mitzutragen.

Einer der Gründe liegt wohl darin, dass Ausgaben für Bildung in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht als Investition, sondern als Konsum enthalten sind, also als Kosten, an die Finanzminister gerne den Rotstift anlegen.
Allerdings muss man zumindest dem Freistaat Bayern zubilligen, dass er die Zeichen der Zeit erkannt und verschiedene Maßnahmen ergriffen hat, um den Trend zu stoppen. Ich erinnere nur an die High-Tech-Offensiven, von der auch Universitäten profitiert haben. Und es ist mir sehr bewusst, dass wir Sie, Herr Staatsminister hinter uns wissen, so wie Sie das ja heute in Ihrer Ansprache zum Ausdruck brachten. Die zugesagten hohen Mittel für den Klinikneubau in den kommenden Jahren sind hier ein deutliches und ermutigendes Signal, für das wir sehr dankbar sind. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass in absehbarer Zukunft keine zunehmenden laufenden Mittel und Stellen zu erwarten sind. Das bedeutet, dass die Hochschulleitung bei eher sinkenden Ressourcen weiterhin nur Knappheiten zu verteilen hat und damit interne Verteilungskämpfe vorprogrammiert sind.

Die Frage, wie diese Probleme fair nach Leistung und Aufgaben zu lösen sind, wird mich in meinem Amt wohl permanent beschäftigen ­ genauso wie die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen, nämlich dass wir mit dem Vorhandenen möglichst noch effizienter und effektiver umgehen müssen und dass fehlende Mittel von außen eingeworben werden müssen, zumal die Forderung nach sozialverträglichen Studiengebühren zunächst durch die neueste Gesetzesnovelle im Bund abgeblockt werden soll. Gleichzeitig wird das Umfeld der Universitäten gegenwärtig durch eine überall spürbare Aufbruchstimmung geprägt. Nicht nur in Bayern, sondern in allen Ländern sind in den letzten Jahren neue Hochschulgesetze auf den Weg gebracht worden, die die Universitätslandschaft noch weit stärker verändert haben und noch werden, als es die 68er Bewegung vermocht hat. Gerade das Amt des Rektors ist von diesen Regelungen besonders betroffen.

Das Bayerische Hochschulgesetz hat der Hochschulleitung weitreichende Kompetenzen übertragen, die sich vor allem auf die personellen und finanziellen Ressourcen beziehen. Außerdem wurde der Hochschulrat als beratendes und mitwirkendes Gremium etabliert. Wir haben uns ja in verschiedenen Sitzungen, lieber Herr Mittelstraß, mit dem Selbstverständnis dieses Gremiums beschäftigt. Ich halte es jedenfalls in seiner derzeitigen Form mit seinen konstruktiven Auswirkungen auf die universitäre Willensbildung für eine höchst wirksame Bereicherung. Insgesamt entsteht damit für den Rektor ein neues Beziehungsgeflecht, das ihm nicht nur eine weitaus größere persönliche Verantwortung zuweist, sondern das ihn auch in einer neuen Rolle gegenüber den Universitätsgremien, bei Interessenkonflikten mit den Fakultäten und in der Außenwirkung sieht. Dabei sind sich alle Beteiligten bewusst, dass die Universitäten vor wachsenden gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen stehen, die neue Antworten verlangen.

Schlagworte wie Autonomie der Hochschulen, neue Leitungsstrukturen, Flexibilität, Leitbilder usw. prägen die derzeitigen hochschulpolitischen Diskussionen. Und jetzt beglückt uns das neue Hochschulrahmengesetz des Bundes noch mit Juniorprofessuren einschließlich der Abschaffung der Habilitation und einer umstrittenen Dienstrechtsreform, alles natürlich kostenneutral. Kritische Stimmen fürchten, dass dieses Gesetz unseren Wissenschaftsstandort eher schwächt als stärkt.
In jedem Falle werde ich mich in meinem Amt sehr intensiv mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen müssen.
Im Grunde aber geht es um den zunehmenden Wettbewerb um herausragende Forscher, um die talentiertesten Studierenden, um knappe staatliche und private Ressourcen. Im Kern geht es um einen Wettbewerb der Profile, und zwar angesichts der zunehmenden Globalisierung nicht nur in nationaler, sondern darüber hinaus auch in internationaler Sicht.
Ich bin damit bei dem zweiten vorhin angesprochenen Feld, in dem es um die Antworten auf die Herausforderungen geht, denen sich auch die Friedrich-Alexander-Universität gegenüber sieht und die direkt mit meinem neuen Amt zusammenhängen.
 
Vor meiner Wahl habe ich dazu dem erweiterten Senat ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt, das ich inzwischen fast allen Fakultäten vorgestellt habe. Es beruht auf der Weiterentwicklung von Grundlinien, die Sie, lieber Herr Jasper, bereits vorgezeichnet haben. Ich will deshalb nur knapp und zusammenfassend auf die wesentlichen Kerngedanken eingehen.
Um im Wettbewerb der Spitzenuniversitäten erfolgreich bestehen zu können, ist zunächst eine systematische Stärken-Schwächen-Analyse erforderlich, an der die zu treffenden Maßnahmen auszurichten sind. Lassen Sie mich dazu hervorheben, dass die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als zweitgrößte Universität in Bayern eine Reihe von herausragenden Stärken aufzuweisen hat, wie sie deutsche und internationale Spitzenuniversitäten auszeichnen.
 
Dazu gehören etwa hervorragende Forschungsleistungen auf zahlreichen Gebieten, dokumentiert z.B. durch zehn Sonderforschungsbereiche (ein Spitzenwert in Deutschland), durch vier DFG-Forschergruppen, durch Graduiertenkollegs und hohe Drittmitteleinwerbungen.

Dazu gehört eine Technische Fakultät als integraler Bestandteil der Universität, die mit den eingeworbenen Drittmitteln pro Professor in Deutschland mit Abstand an Nummer eins liegt. Hinzu kommt die vielfältige Vernetzung zur Medizin, zu den Natur-, aber auch zu den Geisteswissenschaften.

Zu den Stärken der FAU zählt eine herausragende Medizinische Fakultät, die mit ihren höchst erfolgreichen Forschungsaktivitäten und den Verflechtungen innerhalb und außerhalb der Universität entscheidend zum Profil der Universität und der Stadt beiträgt.

Wir haben eines der vielfältigsten Fächerangebote in Deutschland, wobei Vielfalt nur dann als Stärke begriffen werden kann, wenn sie vernetzt wird und zur Profilierung dient. Eine Reihe neuer interdisziplinärer Studiengänge und Forschungszentren sind Beleg für diese zukunftsweisende Entwicklung.

Schließlich liegen wir auch bei der Internationalisierung mit über 500 Partnerschaften weltweit, mit Doppeldiplomen und internationalen Studiengängen, mit englischsprachigen Master-Studiengängen und einem echten Ausländeranteil der Studienanfänger von weit überdurchschnittlichen 14 Prozent in der Spitzengruppe der deutschen Universitäten.
Gleichzeitig haben wir einige interne Probleme, die etwa mit der Bilokalität Erlangen-Nürnberg, den komplexen Strukturen und der zu geringen Corporate Identity zusammenhängen. Noch gelingt es uns nicht, das Profil in Forschung und Lehre so transparent zu gestalten und so nach außen und innen zu transportieren, dass unsere Position in den Rankings jenes Spitzenniveau erreicht, das die Universität Erlangen-Nürnberg meines Erachtens verdient.
 
Als Schlussfolgerung ergibt sich daraus das Leitmotiv für mein hochschulpolitisches Programm, nämlich der
Integration nach innen und der Profilierung nach außen. Generell erfordert dies im Innenverhältnis eine Neuordnung der Leitungsstrukturen mit der Verbesserung der internen Organisation und Kommunikation und im Außenverhältnis eine klare Profilbildung in Forschung und Lehre.
 
Lassen Sie mich zunächst zum Innenverhältnis kommen, das das Amt des Rektors in ganz besonderer Weise fordert.
Das Verhältnis von Hochschulleitung und Fakultäten sollte geprägt sein von Transparenz der Entscheidungen, Dezentralisierung und Subsidiarität. Mit anderen Worten: die fachlichen Entscheidungen sollten dort getroffen werden, wo die Fachkompetenzen in Forschung und Lehre bestehen, d.h. an den Fakultäten, Instituten und Lehrstühlen.
Die Stärke der universitären Forschung ergibt sich gerade aus der Freiheit des einzelnen Forschers, die unbedingt gewährleistet und geschützt werden muss. Deshalb müssen auch alle politischen Bestrebungen, diese Freiheit einzuschränken oder zu reglementieren, energisch zurückgewiesen werden. Gleichzeitig ist es die Aufgabe der Hochschulleitung, an die Bereitschaft ihrer Wissenschaftler zur Integration zu appellieren, Forschungskonzeptionen zu initiieren, sie zu bündeln und zu interdisziplinären Forschungsschwerpunkten zu integrieren, die im Interesse sowohl der Gesamtuniversität als auch im Interesse der profilbildenden Disziplinen liegen. Daraus kann sich indes Spannung und Konfliktpotential ergeben, und genau hier ist die Hochschulleitung im konstruktiven Diskurs gefordert. Die Lösung solcher möglichen Konflikte kann nur in einer strategischen Partnerschaft zwischen der Hochschulleitung und den Fakultäten liegen. In diesem Sinne möchte ich die Experimentierklausel des Bayerischen Hochschulgesetzes nutzen und unser traditionelles Concilium Decanale, d.h. unsere Versammlung der Dekane, zu einem institutionalisierten Gremium der erweiterten Hochschulleitung ausbauen und als strategisch-operatives Organ einrichten.
 
Dies stärkt ganz bewusst die Position der Fakultäten, bedingt eine höhere persönliche Verantwortung der Dekane und fördert damit die universitäre Integration, die Transparenz und Identifikation mit hochschulpolitischen Entscheidungen.
Dazu gehört eine entsprechende Infrastruktur, die vor allem durch die Verwaltung geprägt wird und von der eine wirksame Amtsführung wesentlich abhängt. Aus meinen Erfahrungen in einem Wissenschaftlichen Beirat für Verwaltungsreformen im öffentlichen Sektor sind mir die künftigen Herausforderungen durchaus bekannt. Zunehmende Autonomie von Hochschulen betrifft eben nicht nur höhere Entscheidungskompetenz an der Spitze, sondern benötigt gerade dafür neue Instrumente.
Hier weiß ich unseren Kanzler, Sie lieber Herr Schöck, auf meiner Seite, und ich bin sehr froh über die ausgezeichnete fachliche, aber auch menschlich so angenehme Zusammenarbeit.
 
Nicht nur im Zusammenhang mit neuen Verwaltungsstrukturen erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass die weithin akzeptierte Forderung nach mehr Flexibilität und Autonomie der Universitäten Globalhaushalte mit Zielvereinbarungen einschließt. Das bedeutet, dass Hochschulen politisch vereinbarte Ziele erfüllen und dafür die Verantwortung über die entsprechenden Mittel für Personal und Sachleistungen erhalten. Unter den derzeitigen kameralistischen Bedingungen können wir ganz einfach nicht flexibel und rasch genug auf Herausforderungen reagieren. Mein verehrter Lehrer Horst Claus Recktenwald hat dieses System immer als vorgaliläisch bezeichnet und meinte damit die Ursprünge der Kameralistik aus einer Zeit vor Galileo Galilei, dem Begründer der modernen Naturwissenschaften aus dem 16. Jahrhundert.
Natürlich darf die Einführung eines Globalhaushalts nicht mit Mittelkürzungen verbunden werden, wie das einige Länder praktiziert haben. Die jüngste Erfahrung mit der neuerdings gewährten Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln in das kommende Jahr, die das bayerische Finanzministerium dann entgegen aller Zusagen zur Streichung von Mitteln an den Münchner Universitäten veranlasst hat, stimmt hier allerdings nicht optimistisch.
 
Lassen Sie mich zum Innenverhältnis nur noch drei Punkte kurz ansprechen, die mir sehr wichtig sind und die miteinander zusammenhängen. Der erste betrifft die Frauenförderung, die ich konsequent im Sinne meines Vorgängers fortsetzen möchte. Ich denke, das Signal spricht für sich, dass es erstmals in der langen Geschichte unserer Universität gelungen ist, mit Frau Wittern-Sterzel eine Prorektorin für die Hochschulleitung zu gewinnen. Der zweite Punkt bezieht sich auf die durchgehende Orientierung an den Studierenden. Wie unsere neue Prorektorin schon erwähnt hat, läuft derzeit bereits das Projekt StiM, d.h. "Studierende im Mittelpunkt". Grundsätzlich geht es um eine neue Betreuungs- und Organisationskultur für die Studierenden als ein eigenständiges Profilierungselement. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Es geht nicht um den sogenannten "Kuschelfaktor" für Studierende, sondern um optimale Rahmenbedingungen für eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung. Und ganz im Sinne Humboldts ist damit auch klar: Nur exzellente Forschung bringt exzellente Lehre, und gerade weil sich Universitäten über ihre Forschung bestimmen, muss die Forschung immer höchste Priorität besitzen.
Der dritte Punkt betrifft deshalb die konsequente Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Eine der entscheidenden Aufgaben der Universität ist es, die Besten auszusuchen und zu Spitzenleistungen in der Forschung zu qualifizieren.
Dies leitet unmittelbar über zu dem Außenverhältnis, das eine klare Profilierung über Schwerpunkte in der Forschung erfordert.
 
In Unternehmen wird Diversifizierung heute im Gegensatz zu früher als ein Nachteil gesehen. "Konzentration auf das Kerngeschäft" wird seit einiger Zeit propagiert. Unter dieser Prämisse scheint die Vielzahl an Fächern einer klassischen Universität nicht mehr wettbewerbsfähig. Ich sehe das allerdings völlig anders. Wissenschaftlicher Fortschritt entsteht heute meist nicht mehr im Zentrum einer Wissenschaft, sondern an ihren Rändern. Damit werden gleichsam automatisch die Grenzen von Disziplinen überschritten. In dieser Transdisziplinarität, wie es Herr Mittelstraß nennt, spielt die wissenschaftliche Musik. Nach Ortega y Gasset braucht die Wissenschaft Zusammenarbeit, in der sich das Wissen des einen durch die Entdeckungen des andern bereichert. Und gerade die Vielfalt wird dann zu einem Vorteil, wenn sie über die Vernetzung zur Profilierung beiträgt. Insofern bewege ich mich hier auf einer Linie mit meinem Vorgänger im Amt.
"Exzellenz durch Vielfalt" oder besser noch "Exzellenz durch vernetzte profilierte Vielfalt" muss das Leitmotiv lauten, das den Forschungsschwerpunkten zugrunde liegt, die wir derzeit erarbeiten. Dieses eigenständig zu entwickelnde Forschungsprofil umfasst die Medizin, die Natur- und Technikwissenschaften genauso wie die Geisteswissenschaften, die Grundlagenforschung ebenso wie die anwendungsbezogene Forschung. Die Aufgabe der Hochschulleitung ist es, diese vernetzte Vielfalt über geeignete Strukturen zu bündeln, zu fördern, Impulse zu geben und. aufzunehmen
 
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur auf ein ganz besonders wichtiges und ehrgeiziges Zukunftsprojekt hinweisen, das für die gesamte Region von außerordentlicher Bedeutung wäre und das gerade wegen der vernetzten Strukturen in Erlangen entscheidende komparative Vorteile hätte. Es handelt sich um die zukunftsweisende Forschungseinrichtung einer weltweit konkurrenzfähigen Synchrotronstrahlungsquelle, die ein immenses Spektrum in den Naturwissenschaften, der Technik und Medizin erschließen würde. Ich appelliere an alle politischen Instanzen, diese einzigartige Chance zu nutzen und zu unterstützen. Es könnten so erhebliche internationale Forschungskompetenzen für den Freistaat Bayern in Erlangen gebündelt werden.
 
Damit bin ich bei der Internationalisierung der Friedrich-Alexander-Universität, die mir ein wichtiges Anliegen ist. Es fügt sich als unabdingbares und wichtiges Profilelement nahtlos in das Gesamtprogramm ein und ist als eine der Stärken unserer Hochschule nachhaltig zu fördern. Damit die verschiedenen Aktivitäten einer Universität von Rang nach außen sichtbar werden, um aber auch im Innenverhältnis zur Integration beizutragen, ist eine professionelle Marketingstrategie erforderlich. Zu diesem Zweck haben wir bereits Maßnahmen eingeleitet, und ich freue mich sehr, Ihnen heute mitteilen zu können, dass wir uns in einem entsprechenden Ausschreibungsverfahren gegen erhebliche Konkurrenz durchsetzen konnten. Wir wurden nämlich vom CHE, dem Centrum für Hochschulentwicklung der Bertelsmann-Stiftung, als Pilotuniversität für Hochschulmarketing ausgewählt. Alles in allem trägt mein Zehn-Punkte-Programm dazu bei, das Profil dieser Region als Wissenschaftsstandort zu stärken. Für Erlangen, Herr Oberbürgermeister, heißt das insbesondere, dass ich die Bestrebungen hin zu einem Zentrum für Medizin in Verbindung mit Technik und Naturwissenschaften mit allen Kräften unterstütze ­ und das nicht nur zu der 1000-Jahr-Feier dieser Stadt. Für die Gesamtregion sollten wir darüber hinaus die interdisziplinären Vorteile einer klassischen Universität mit den Geisteswissenschaften einschließlich der starken Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Nürnberg noch besser nutzen. Und vielleicht gelingt es ja sogar, dass sich auch Nürnberg künftig noch mehr als eine Universitäts- und Hochschulstadt begreift.
 
Ich bin damit bei der dritten Fragestellung, der Vision für unsere Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie ergibt sich unmittelbar als Zusammenfassung aus den Antworten auf die Herausforderungen, die ich eben skizziert habe. Im Grunde sind die einzelnen Punkte meines Programms bereits die ersten Elemente einer Vision, die ich mit meinem neuen Amt in der Gesamtverantwortung für die Universität verbinde. Eine gelungene kooperative Integration nach innen und Profilierung nach außen sollten die Friedrich-Alexander-Universität als eine international anerkannte und bekannte Spitzenuniversität etablieren, die ich wie folgt charakterisieren möchte: Neue Leitungsstrukturen, eine moderne serviceorientierte Verwaltung, eine konsequente Studentenorientierung und wissenschaftliche Nachwuchsförderung sollten in Verbindung mit einer verbesserten Kommunikation und Transparenz im Innenverhältnis dazu beitragen, dass sich alle Beteiligten mit dieser Universität identifizieren können. Im Außenverhältnis ergibt sich unser Profil aus der vernetzten Vielfalt der Fächer, die eine klassische international orientierte Universität zu bieten hat und die in spezifische Forschungsschwerpunkte mündet. Die schon vorhandenen Stärken sind weiter zu fördern. Die Friedrich-Alexander-Universität sollte sich dabei als Kristallisationspunkt zukunftsweisender Forschungs- und Technologiefelder begreifen, etwa in Kernbereichen der life sciences, wie der Medizintechnik und der molekularen Medizin, oder auch den Informations- und Kommunikationswissenschaften, der Mechatronik, der Optik- und Laserforschung, der Umwelt- und Energieforschung und den neuen Materialien. Solche Entwicklungen erfordern mehr denn je ein souveränes Profil der Geisteswissenschaften, ein Profil, das sich nicht nur in der Begleitung der sogenannten "hard sciences" entwickeln kann, sondern eine eigenständige Funktion erfüllt. Diese Funktion bezieht sich auf die Metaebene des menschlichen Lebens. Sie schafft Distanz zur Gegenwart und unterwirft diese damit einem kritischen Blick. "Fortschritt" und "Innovation" haben bei den Geisteswissenschaften eine andere Bedeutung als in den heutigen "Leitwissenschaften". Sie bewahren unsere Kultur, unsere Geschichte und Tradition und vermitteln kollektives Gedächtnis. Im Sinne einer universitas litterarum befriedigen sie damit Bedürfnisse anderer Art, die gerade deswegen von größter Bedeutung für unsere moderne Gesellschaft sind. Und genau in diesem Sinne können und sollten sie nach meiner Vorstellung entscheidend zum Gesamtprofil unserer Universität beitragen.
 
Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät nimmt hier eine gewisse Sonderstellung unter den Geisteswissenschaften ein, nicht nur, weil sie in einer Art Scharnierfunktion mit der Vermittlung von Schlüsselkompetenzen und ihrer einzigartigen Struktur mit praktisch allen Fakultäten verknüpft ist, sondern weil sie auch als Fakultät mit den meisten Studierenden mit spezifischen Massenproblemen in Nürnberg angesiedelt ist. Wir sollten deshalb alles versuchen, die unrealistischen politisch motivierten Curricularnormwerte zu korrigieren und unabhängig davon inneruniversitär faire Verfahren schaffen, die der Vernetzung in Forschung und Lehre Rechnung tragen. Generell betrifft die Vernetzung dabei nicht nur die internen Strukturen, sondern darüber hinaus die vielfältigen außeruniversitären Verknüpfungen, die es weiter zu intensivieren gilt. Herausgreifen möchte ich hier nur die Perspektive, dass die jetzt im Aufbau befindliche Max-Planck-Forschungsgruppe für Optik, Information und Photonik in fünf Jahren zu einem dauerhaft etablierten Max-Planck-Institut wird. In gewisser Weise vernetzt sind wir über Kooperationen zudem mit unseren Nachbaruniversitäten, aber natürlich auch mit den anderen bayerischen Hochschulen, wie das ja Herr Herrmann vorhin ausgedrückt hat. Auf die konstruktive Zusammenarbeit in der bayerischen Rektorenkonferenz freue ich mich. All dies sollte zu einer modernen Wissenschaftsinstitution beitragen, die in der Region verankert ist, international im Zuschnitt, mit vernetzter profilierter Vielfalt, in akademischer Einheit. Möglich wird dies nur, wenn eine ausgewogene Balance zwischen Kontinuität und Wandel, zwischen bestehenden Traditionen und notwendigen Änderungen gewahrt bleibt und wenn wir auf dem aufbauen, was bereits geleistet wurde. Hier kann ich auf eine Basis zurückgreifen, die Sie, lieber Herr Jasper, mit Ihrem unermüdlichem Einsatz geschaffen haben.
In diesen Tagen ist viel von der Ära Jasper die Rede, die jetzt zu Ende geht. Von einer Ära kann man in der Tat sprechen, wenn man an die Leistungen und bleibenden Verdienste denkt, die unmittelbar mit Ihrer Person zusammenhängen und die diese Universität im letzten Dezennium nachhaltig geprägt haben. Von einem Ende kann aber nicht die Rede sein, denn Ihre Ära lebt fort über die zahlreichen Marksteine, die Sie in Ihrer Zeit gesetzt haben. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie ein so gut bestelltes Haus mit einem stabilen Fundament hinterlassen, wie das ja unsere Prorektorin so einfühlsam beschrieben hat. Sie hinterlassen aber auch große Schuhe für dieses Amt, in die ich erst noch hineinwachsen muss.
Und ich bin Ihnen genauso dankbar, dass Sie es mir gestatten, Ihr unschätzbares Wissen auch weiterhin gleichsam "auszubeuten", so wie ich das schon in der gesamten Übergangszeit so wohltuend unaufdringlich und gleichzeitig äußerst hilfreich erlebt habe. Dazu nur eine kleine Begebenheit am Rande: Als ich letztens fragte, ob ich die Einladung zu einer bestimmten Beiratssitzung annehmen sollte, meinten Sie nur lakonisch:" Das werden Sie wohl müssen, Sie sind ja schließlich der Vorsitzende dieses Beirats." Für die Zukunft darf ich Ihnen ein wenig Luxus wünschen, den Luxus nämlich, Freizeit zu genießen, und das natürlich zusammen mit Ihrer lieben Frau. Sie beide mussten lange auf diesen Luxus verzichten.
 
Danken möchte ich aber auch all jenen, die meinen Start mit guten Wünschen und aufmunternden Worten begleitet haben, an erster Stelle den Rednern des heutigen Festakts. Wenn alle Ihre Wünsche in Erfüllung gehen, dann ist der Erfolg vorprogrammiert. Mein Dank gilt Ihnen allen, die unserer Einladung gefolgt und so zahlreich zu diesem Festakt erschienen sind. Ich denke, dass sich damit nicht nur der große Respekt vor dem scheidenden Rektor und die Neugierde auf den Neuen ausdrückt, sondern dass damit auch dokumentiert wird, wie dicht das Netzwerk um diese Universität ist und welche Bedeutung Sie mit Ihrer Anwesenheit dieser Institution zumessen. Gestatten Sie mir, dass ich unter Ihnen nur meine Familie hervorheben möchte, die heute hier vollzählig versammelt ist und der ich sehr dankbar bin, dass sie mich in den vielen Jahren unterstützt hat, und die ich um Verständnis dafür bitte, dass sie in Zukunft wohl noch weniger von mir haben wird. Schließlich darf ich Herrn Kollegen Ekkehard Wildt dafür danken, dass unter seiner bewährten Leitung das Blechbläserensemble der Friedrich-Alexander-Universität für einen so würdigen musikalischen Rahmen sorgt.
Persönlich danken möchte ich dem Team um meine Sekretärin Ursula Ertl, die die Organisation dieses Festaktes kreativ und gekonnt übernommen hat.
 
Ich möchte zum Ende kommen mit einem Geständnis:
In meiner Rede habe ich mich mit "Gedanken zum neuen Amt" beschäftigt, und dabei bekenne ich, dass ich den Begriff des Amtes im Zusammenhang mit meinen neuen Aufgaben wegen seiner Doppeldeutigkeit nicht besonders schätze. All zu oft wird ein Amt mit bürokratischen Verwaltungen assoziiert, mit Amtsdeutsch und Amtsstuben bis hin zum Amtsschimmel; und genau in diesem Sinne ist der Terminus antiquiert und passt nicht zu einer modernen reformfreudigen Universität.
Es wäre das Ende einer Universität, wenn Bestehendes nur noch verwaltet, aber nicht mehr verbessert würde. Nach meinem Verständnis geht es deshalb heute eben gerade nicht mehr nur ums Verwalten, sondern vor allem um Managementaufgaben und Steuerungsfunktionen in hochkomplexen Strukturen, und ich bin mir bewusst, dass an diese Aufgaben hohe Erwartungen geknüpft werden. Um hier erfolgreich zu sein, haben Universitäten immer die Unterstützung des angesprochenen Netzwerkes benötigt, in das wir alle eingebunden sind. Gesellschaft und Politik, Wirtschaft und Verwaltung, und nicht zuletzt die Medien möchte ich deshalb ermuntern, an der weiteren Stärkung dieses vernetzten Systems mitzuarbeiten.
Wenn dies gelingt, bin ich überzeugt, dass die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auch in Zukunft die Kraft zu konstruktiven Veränderungen aufbringt und ihre Position als international anerkannte Spitzenuniversität weiter ausbaut.
Lassen Sie mich an den Titel der Dies-Rede meines Vorgängers anknüpfen:
Es gibt auch weiterhin noch viel zu tun, packen wir`s gemeinsam an!



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