- Franken-Preis der Fränkischen
Geographischen Gesellschaft
Mit Kopftuch und Handy
In einen langen Mantel und Kopftuch gehüllt, mit Einkäufen
für ihre Großfamilie bepackt: so stellen Deutsche
sich die "traditionelle" Türkin vor. Eine junge
Frau türkischer Abstammung, die in Kleidung vom mitteleuropäischen
Standard an Hochschulseminaren teilnimmt und ein eigenes Zimmer
gemietet hat, gilt als modern und integriert. Wie jedoch passt
die Deutsch-Türkin in dieses Schema, die das Kopftuch mit
körperbetonten Tops kombiniert und über Handy ihr nächstes
Date verabredet? In ihrer Zulassungsarbeit für das Lehramt
an Gymnasien hat Itta Bauer herausgearbeitet, dass deutsch-türkische
Nürnbergerinnen ihre unterschiedlichen kulturellen Bezugsfelder
nicht unbedingt als problematisch erleben, sogar kreative Impulse
daraus ziehen und sich Freiräume schaffen. Schwierigkeiten
entstehen wohl eher durch das starre "Entweder-Oder",
nach dem die deutsche Bevölkerung urteilt. Die Fränkische
Geographische Gesellschaft (FGG) hat der Arbeit den diesjährigen
Franken-Preis zuerkannt, der mit 500 Euro dotiert ist.
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- Für ihre Abschlussarbeit
am Lehrstuhl für Kulturgeographie und Entwicklungsforschung
von Prof. Dr. Hermann Kreutzmann hat Itta Bauer mit ausgewählten
jungen Türkinnen, die in der zweiten oder dritten Generation
in Deutschland ansässig sind, darüber gesprochen, wie
sie ihr Leben wahrnehmen und gestalten. Ihre Identität müssen
sie zwischen den "typischen" Zuschreibungen suchen,
mit denen türkische und deutsche Lebensweisen charakterisiert
werden: dem "Gastarbeiterimage" mit traditioneller
Rollenverteilung der Geschlechter, schlechten Wohn- und Arbeitsverhältnissen
und niedrigem Bildungsgrad einerseits, dem Bild der "Almanci"
(wörtlich: Deutschländer) auf der anderen Seite, denen
der Verzicht auf alle Tradition, Religion und eigene Kultur nachgesagt,
oft auch vorgeworfen wird.
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- Dies bedeutet für die
befragten jungen Frauen weder eine unerträgliche Zerreißprobe,
noch können sie die beiden Pole als Orientierungsgrößen
völlig beiseite lassen. Sie definieren sich selbst und andere,
indem sie auf die Stereotypen von "deutsch" und "türkisch"
zurückgreifen, obwohl sie dieses Schubladendenken häufig
ablehnen und eine Perspektive anstreben, die den Einblick in
beide Seiten möglich macht. Innerhalb der eigenen Gruppe
werden Grenzen gezogen, die widersprüchlich erscheinende
Eigenschaften zusammenfassen, wie die der Deutsch-Türkin
mit Handy, einer "sexy" wirkenden Aufmachung und dem
Kopftuch, das die Familie zufriedenstellt. Im Vergleich mit und
der Abgrenzung von anderen und im ständigen Wechsel zwischen
verschieden "Seiten" können die Frauen, wenn auch
nicht ohne Probleme und Hindernisse, Stategien für ihr Leben
entwickeln. Als junge Frau aus patriarchalischen Verhältnissen
zu einer guten Ausbildung und beruflichem Erfolg zu kommen, kann
beispielsweise als besonders befriedigend empfunden werden.
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- Die FGG hat den Franken-Preis
in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben. Die eng mit dem Institut
für Geographie der Universität Erlangen-Nürnberg
verbundene Gesellschaft unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Horst
Kopp möchte mit der Auszeichnung darauf aufmerksam machen,
dass praxisbezogene geographische Arbeiten viel zur Lösung
aktueller Probleme in der Region beitragen können.
Weitere Informationen
- Prof. Dr. Hermann Kreutzmann
Lehrstuhl für Kulturgeographie und Entwicklungsforschung
Tel.: 09131/85 -22633, -22639
hkreutzm@geographie.uni-erlangen.de
Mediendienst FAU-Aktuell Nr. 2724
vom 08.03.2002
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