Ungarische DAAD-Siemens-Stipendiaten am
Institut für Informatik
Zwischen Mustererkennung und Kuchenpflicht
"Meine Jungs" sagt Dr. Gabriella Kókai. Sie
spricht von Zoltan Tóth und Robert Ványi, ihren
Schützlingen, die sie nach Erlangen geholt hat und deren
Arbeiten am Lehrstuhl für Programmiersprachen sie betreut.
György Dorkó, der den Lehrstuhl für Mustererkennung
gewählt hat, muss sich trotzdem nicht ausgeschlossen fühlen.
Die kleine ungarische Gemeinschaft am Institut für Informatik
der Universität Erlangen-Nürnberg nimmt jeden Neuling
gern auf und hält zusammen, fachlich wie privat. Deshalb
sind eigentlich alle gemeint, wenn Dr. Kókai versichert,
dass es eine Freude ist, sich um "ihre Jungs" zu kümmern.
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- Dorkó, Ványi und Tóth
profitieren von einem Programm, das die Siemens AG und der Deutsche
Akademische Auslandsdienst (DAAD) gemeinsam aufgestellt haben
und finanzieren. Junge graduierte Ingenieure aus Osteuropa und
Asien erhalten Stipendien für ein zweijähriges Aufbaustudium
an einer deutschen Hochschule, die solche Qualifizierungsmöglichkeiten
in englischer Sprache bietet - wie die Universität Erlangen-Nürnberg
mit ihrem internationalen Masterprogramm Computational Engineering.
In Deutschland studieren zu können, ohne Deutschkenntnisse
mitbringen zu müssen, empfindet Robert Ványi als
besonderen Vorteil. Ungarische Schüler wählen Englisch
als erste Fremdsprache, wenn sie ein ingenieurwissenschaftliches
Studium planen, um der englischen Fachliteratur gewachsen zu
sein.
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- Außerdem, meint Tóth, könne
man hier ja ganz leicht Deutsch lernen. "Ganz leicht!"
Dem kann sich György Dorkó nicht anschließen.
Den spontanen Protestruf ausgenommen, kommt ihm Englisch nach
wie vor viel flüssiger über die Lippen. Allerdings
hat er im Gegensatz zu den beiden anderen kein Intensivtraining
in Kleingruppen mitgemacht, wie es der DAAD aus der mittlerweile
ausgelaufenen Anschubfinanzierung bezahlte. Pro Woche zehn Stunden
Sprachkurs in einem Privatinstitut neben den Lehrveranstaltungen
an der Universität, da bleibt die Versuchung nicht aus,
gelegentlich zu schwänzen - doch "meine Jungs hab'
ich dazu verdonnert", gibt Gabriella Kókai energisch
bekannt. Nun brauchen sie die Sanktionen nicht zu fürchten,
die am Lehrstuhl Informatik II von Prof. Dr. Hans-Jürgen
Schneider gelten. In Gegenwart von Nicht-Ungarn die ungarische
Sprache zu verwenden, ist dort "kuchenpflichtig".
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- Eigene Regeln für den Umgang zwischen
Deutschen und Ungarn am Erlanger Informatik-Institut sind das
Ergebnis einer gemeinsamen Geschichte. Sie beginnt mit zwei Humboldt-Stipendiaten,
Attila Kuba und János Csirik,die sich zwischen 1980 und
1984 an der FAU aufhielten. Beide wurden später an die
Joszef Attila Universität in Szeged berufen und ließen
als Lehrstuhlinhaber die Verbindungen nach Erlangen nicht abreißen.
So ergab es sich, dass Gabriella Kókai, die in Szeged
Informatik studiert hatte, 1998 bei Prof. Schneider promoviert
wurde. An seinem Lehrstuhl verfolgt sie ihr Habilitationsprojekt,
seit sie 1999 einen der Bayerischen Habilitationsförderpreise
erhielt. Ványi und Tóth hat Dr. Kókai mit
Hilfe des DAAD-Siemens-Stipendiums als viel versprechenden Nachwuchs
aus ihrem Heimat- und Studienort nach Deutschland mitgebracht.
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- Über Prof. Dr. Laslo Czink, ebenfalls
mehrfach Gast in Erlangen, laufen die Beziehungen zum Kando College
in Budapest, wo György Dorkó studiert hat. Das Erasmus-Programm
der Europäischen Union ermöglichte ihm ein Semester
als Gaststudent am Lehrstuhl Informatik V von Prof. Dr. Heinrich
Niemann. Da ein DAAD-Siemens-Stipendium nicht unmittelbar nach
Studienabschluss vergeben wird, griff er zunächst auf andere
Fördermittel zurück, um mit dem Studiengang Computational
Engineering zu beginnen. PD Dr. Dietrich Paulus ist der Mentor,
der Dorkós Arbeiten innerhalb des weit gespannten Problemfelds
der Mustererkennung betreut. Aus dem Teilgebiet der Bildanalyse
greift György Dorkó ein anschauliches Beispiel heraus:
Beim Blick in eine Küche fällt es Menschen leicht,
manche Gegenstände als Gläser, andere als Flaschen
zu benennen; elektronischen Systemen ist die Unterscheidung unvergleichlich
schwerer beizubringen.
- Zoltan Tóth befasst sich mit evolutionären
Algorithmen, Vorschriften für Rechenabläufe, die miteinander
konkurrieren und "wie in der Natur überleben müssen",
wenn es etwa darum geht, Stundenpläne für Schulen oder
Krankenhäuser optimal auszuarbeiten. In weitem Sinn "genetisch"
sind Rechenverfahren zur Abbildung von biologischen Strukturen
- "wie sich Blutgefäße in der Retina baumartig
verzweigen", erläutert Robert Ványi. Werden
krankhafte Veränderungen regelmäßig festgehalten,
ergibt sich eine strukturelle Beschreibung, die in der Diagnostik
genutzt werden kann.
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- Was hat die heute Drei- bis Vierundzwanzigjährigen
dazu veranlasst, zur Spezialisierung ins Ausland zu gehen? Kontakte
suchen, Professoren näher kennenlernen, ein Netz aufbauen,
das der beruflichen Laufbahn nützen könnte - und die
Hoffnung auf eine Promotion in Deutschland. "Doktoranden
werden in Ungarn eher nach dem amerikanischen PhD-System ausgebildet",
erklärt Gabriella Kókai. "Informatik wird nur
an fünf Universitäten gelehrt, da ist die Zahl der
PhD-Studenten begrenzt."
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- Außerdem liegt die Chance, den Berufsweg
in Deutschland zu beginnen, nicht allzu fern. Die Siemens AG
wählt neue Mitarbeiter nicht selten unter den Stipendiaten
aus, um deren Aufbaustudium sie sich gekümmert hat. Das
Unternehmen bietet während des zweijährigen Deutschlandaufenthalts
ein Praktikum an. "Über den DAAD wird ungefähr
die Hälfte der Studierenden vermittelt, die von Siemens
gefördert werden", berichtet Eberhard Wildgrube, der
das "Youth and Knowledge" genannte Gesamtprojekt des
Unternehmens koordiniert. "Die andere Hälfte kommt
über direkte Kontakte zu Hochschulen in Osteuropa, Fernost
oder neuerdings Lateinamerika. Oft werden sie später in
den Regionen beschäftigt, aus denen sie stammen."
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- Die jungen Ungarn sind in Erlangen bald heimisch
geworden. "Hier ist es ungefähr so wie in Szeged",
sagt Zoltan Tóth. "Erlangen hat das Klima einer Universitätsstadt
und ist genau so übersichtlich. In der Fußgängerzone
trifft man Bekannte." Dass es mit der Unterkunft anfangs
nicht so geklappt hat wie vorgesehen, ist inzwischen verziehen.
Zufrieden konstatieren die ungarischen Stipendiaten, dass sie
sich unter den Erlanger Informatikern ernst genommen fühlen,
als gleichwertige Mitarbeiter gelten. Private Kontakte stärken
zudem das Gemeinschaftsgefühl. Dr. Kókai berichtet
von Spieleabenden im Institut, mit warmen Mahlzeiten, die jeweils
einer für alle in der Kochnische zubereitet, und von Ausflügen
in die Umgebung: "Da sind deutsche Kollegen immer dabei."
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- Weitere Informationen
- Dr. Gabriella Kókai
Lehrstuhl Informatik II
Tel.: 09131/85 -28996
- mailto:kokai@informatik.uni-erlangen.de
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- PD Dr. Dietrich Paulus
Lehrstuhl Informatik V
Tel.: 09131/85-27894
paulus@informatik.uni-erlangen.de
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- Dr. Heide Wichmann
Lehrstuhl Informatik X
Tel.: 09131/85 -28688
- wichmann@informatik.uni-erlangen.de
Mediendienst Aktuell Nr. 2676 vom 25.1.2002
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