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- Bausteine für die Nanotechnologie nach
dem Vorbild der Natur
Isolierschicht für molekulare Drähte
Wie eine Bohnenpflanze sich beim Wachsen um die Kletterstange
windet, legen sich biegsame Ketten aus reaktionsträgen chemischen
Verbindungen spiralförmig um eine starre Kohlenstoff-Brücke,
die zwei Metallzentren verbindet. Die denkbar feinsten elektrisch
leitenden Drähte aus aneinandergereihten Kohlenstoffatomen
können so mit einer Isolierung versehen werden. Damit ist
der Forschungsgruppe um Prof. John A. Gladysz vom Institut für
Organische Chemie der Universität Erlangen-Nürnberg
ein neuer bahnbrechender Erfolg in der Nanotechnologie gelungen.
Das Ergebnis ihrer Strategie ist zudem in einem zweiten Sinn
einzigartig: es entsteht eine Doppelhelix, die in ihrer Struktur
der DNS gleicht, aber ohne die "Querstützen",
welche die zwei Stränge im Zellkern wie bei einer Leiter
zusammenhalten. Derartige Moleküle waren bisher nicht bekannt.
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- Drei Mitarbeiter von Prof. Gladysz, die Diplom-Chemiker
Jürgen Stahl, Eike Bauer und Wolfgang Mohr, beschreiben
in der Juni-Ausgabe der Fachzeitschrift "Angewandte Chemie"
zwei unterschiedliche Wege zur Synthese von isolierten "molekularen
Drähten". Der eine besteht darin, den Prozess der Selbstorganisation
in Gang zu setzen, der zur Bildung der schützenden Doppelspirale
führt. Statt der Natur ihren Lauf zu lassen, treibt der
andere dagegen den zielgerichteten Zusammenbau neuer Materialien
in der Organometallchemie voran. Beide zielen auf die Lösung
eines Problems ab, das sich mit den Fortschritten in der Miniaturisierung
von Bauteilen für Elektrik und Elektronik stellt.
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- Während der letzten fünf Jahre
machten Chemiker schnelle Fortschritte bei der Synthese molekularer
Versionen von stromführenden Bauteilen wie Schaltern, Transistoren
oder Gleichrichtern und von komplizierteren Geräten wie
Motoren und Maschinen. Mit dem schrittweisen Aufbau solcher "funktionaler
Materialien" aus Molekülen wurde die Nanotechnologie
geboren. Dazu zählen neuartige, drahtähnliche Moleküle,
die in der Arbeitsgruppe von Prof. Glasdysz entwickelt werden.
Zwei Übergangsmetalle sind darin durch eine stabähnliche
lineare Kohlenstoffkette verbunden. Die Metalle können oxidiert
oder reduziert werden; Elektronen und Ladung können dann
von einem Metall zum anderen wandern. Der Erlanger Gruppe gelang
es, mehr als 20 Kohlenstoffatome aneinanderzureihen, was einen
Abstand von drei Nanometern (Milliardstel eines Meters) zwischen
den Metallen bedeutet. Andere Forscher haben bimetallische Verbindungen
mit anderen Arten von starren, verbrückenden Liganden hergestellt,
doch lineare Kohlenstoffketten stellen das äußerste
mögliche Limit der Miniaturisierung dar.
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- Genau wie Haushaltskabel müssen solche
molekularen Drähte isoliert werden, um das Molekül
zu schützen und einen ungestörten Stromfluss zu ermöglichen.
Werden einem Molekül Elektronen entzogen oder zugeführt,
wird es häufig reaktiver, und zerstörerische Reaktionen
mit anderen stromführenden Bausteinen, dem Lösungsmittel
oder der Luft sind zu befürchten. Hüllen um solche
Moleküle, die die Rolle der Isolationsschicht beim vertrauten
Elektrokabel übernehmen, sind offensichtlich wünschenswert,
doch bisher ist zur Verwirklichung wenig geschehen.
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- Prof. Gladysz und seine Mitarbeiter stellten
zunächst Kettenmoleküle mit einer Kohlenstoffbrücke
zwischen zwei Platinatomen her, deren Liganden (angehängte
Gruppen oder Atome) leicht ausgetauscht werden konnten. Danach
synthetisierte das Team Moleküle, in denen zwei Phosphordonoratome
durch eine Kette von Methylengruppen verbunden sind. Methylen-
oder CH2-Gruppen sind die Grundbausteine von gesättigtem
Fett und Paraffinwachs, zweier Isolatoren. Diese flexible Kette
muss mindestens 50% länger sein als die feste Kohlenstoffbrücke.
So kann sie sich um den "Draht" wickeln, wenn die Enden
beider Arten von Ketten sich verbinden, wobei die Phosphoratome
die zuvor am Platin angelagerten Liganden ersetzen.
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- Zwei "Isolator-Moleküle" docken
auf diese Weise am molekularen Draht an. Das Ergebnis dieses
selbstorganisierenden Prozesses versetzt Prof. Gladysz in Begeisterung:
"Das Endresultat ist ein doppelhelicales Molekül von
atemberaubender Schönheit." Die treibende Kraft für
die Anordnung in einer Doppelspirale ist nicht offensichtlich;
es scheint, als ob die Moleküle diese Struktur "nach
Belieben" ausbilden.
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- Schnürsenkel und Alligatoren
Daneben hat die Forschungsgruppe eine kontrollierte Synthese
entwickelt, die eine größere Vielzahl von Zielmolekülen
ergeben kann. Diese Strategie nutzt einen jüngst entdeckten
Katalysator für die Olefin-Metathese, durch den die flexiblen
Ketten verbunden werden, die von jedem Platinatom ausgehen. Diese
Methode ist ähnlich dem Zusammenbinden von Schnürsenkeln
und dem darauffolgenden Abschneiden der nicht benötigten
Enden des Bandes. Einige Experimente wurden von den drei Postdoktoranden
Dr. James Bohling, Dr. Thomas Peters und Dr. José Martín-Alvarez
durchgeführt, die ebenfalls Mitautoren der Veröffentlichung
sind und bei Prof. Gladysz während seiner früheren
Anstellung an der University of Utah arbeiteten. Andere Erlanger
Mitarbeiter hängen an die Platinenden Liganden, die als
"Alligator Clips" betrachtet werden können, um
noch kompliziertere Bausteine und Geräte herzustellen.
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- Unabhängig von der technologischen Anwendung
staunen die Erlanger Chemiker darüber, wie ihre Resultate
natürliche Phänomene reflektieren. Etwa 50 Jahre nach
der Entdeckung der DNS-Doppelhelix-Struktur zum Schutz des genetischen
Codes wurde eine fundamental neue Klasse von doppelhelicalen
Molekülen gefunden, die molekulare Drähte schützen
kann. Dass Bohnen oder auch Hopfenpflanzen sich "selbsttätig"
an Stangen hochwinden, dienst seit langem zum Nutzen der Menschen.
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- Weitere Informationen
- Prof. Dr. John A. Gladysz
Lehrstuhl für Organische Chemie I
Tel.: 09131/85 -22540
gladysz@chemie.uni-erlangen.de
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- Abb.1: Isolierung einer linearen Kohlenstoffkette
durch Selbstorganisation einer CH2-Kohlenstoff Doppelhelix.
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- Abb. 2: Die Entdecker der neuartigen Doppelhelix
(v. links): Jürgen Stahl, Wolfgang Mohr und Eike Bauer
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- Abb. 3: Zunächst wurden Diplatin-Kohlenstoffkettenkomplexe
LnPtCxPtLn hergestellt und so konzipiert, dass die Liganden Ln
an den Platinatomen leicht ausgetauscht werden konnten. Danach
wurden Diphosphane R2P(CH2)nPR2 synthetisiert, in denen zwei
Phosphordonoratome von einer langen flexiblen Kette von CH2-Gruppen
verbrückt werden. Die Phosphoratome an den Enden des Diphosphans
lagern sich an unterschiedliche Platinatome an. Die flexible
CH2-Kette wickelt sich um die Cx-Kette, genauso wie sich eine
wachsende Bohnenpflanze spiralförmig um eine Stange windet.
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- Abb. 4: Kalottenmodelle eines typischen Produkts
aus Abb.3. A und B bezeichnen Ansichten ohne Wasserstoffatome
und Phosphor-Arylringe; C und D zeigen analoge Ansichten, bei
denen alle Atome dargestellt sind. Dr. Frank Hampel hat die Kristallstruktur
mit Hilfe einer Art molekularer Photographie sichtbar gemacht.
Mediendienst FORSCHUNG Nr. 631 vom 06.06.2002
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
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