Druck-Temperatur-Pfade der Metamorphose von Blauschiefern


Zweifach in die Tiefe versenkt


Gesteine werden in die Tiefe versenkt und wieder nach oben transportiert, wenn bei der Kontinentaldrift die Platten mit den Erdteilen aufeinanderprallen. Dabei entstehen Gesteinsarten mit einem anderen Gefüge und einem veränderten Bestand an Mineralen, die bald darauf wieder zerstört werden können. Zusammen mit französischen Forschern hat PD Dr. Bernhard Schulz vom Institut für Geologie und Mineralogie der Universität Erlangen-Nürnberg eines der raren alten Blauschiefer-Vorkommen untersucht, das eine solche Feuertaufe aus wechselnder Hitze und schwankendem Druck überstanden hat. Mittels chemischer Mikro-Analysen ist es gelungen, die Entwicklungsgeschichte des Gesteins so präzise zu rekonstruieren, dass numerische Modelle der Gebirgsbildung darauf aufbauen können.
 
Blauschiefer stammen aus dem Erdaltertum, das zwischen 550 und 250 Millionen Jahren zurückliegt. Sie sind sehr selten zu finden, denn nur unter ganz bestimmten Druck- und Temperaturverhältnissen wird ein Basalt zu diesem Gestein umgewandelt. Der Druck muss dabei mit weit über vier Kilobar vergleichsweise hoch sein, was im Gestein zur Bildung von "Hochdruck-Mineralen" führt. Die Temperatur bleibt mit 300 bis 500°C eher niedrig.
 
Solche Bedingungen sind nur zu Beginn einer Kontinent-Kollision zu erwarten. Später, wenn die Ränder der Krustenplatten übereinandergeschoben werden und sich aufstapeln, heizt sich die verdickte Erdkruste rasch auf. Die Hochdruck-Minerale werden instabil. Stattdessen entstehen andere Mischkristalle, die bei höheren Temperaturen und mittleren Drücken erhalten bleiben. Steigen Blauschiefer und und ihre Nebengesteine genügend schnell nach oben, während ein Gebirgskörper am Kontinentalplatten-Rand aufgetürmt wird, können sie dieser Zersetzung und Umwandlung entkommen. Auf dem Dach des neuen Gebirges wären sie dann aber der Erosion stark ausgesetzt und bald abgetragen.
 
Chemische Zonierung löst das Rätsel
Auf der Île de Groix vor der südbretonischen Küste liegen Blauschiefer-Vorkommen, deren Entstehung auf die Zeit vor 380 - 330 Millionen Jahren datiert werden kann. Bei einer Kontinent-Kollision bildete sich damals das variskische Gebirge, das inzwischen durch Verwitterungsprozesse stark abgetragen ist. Wie kam es, dass die Blauschiefer allein auf der 16 Quadratkilometer großen Atlantikinsel so lange und so gut erhalten blieben? Auskunft darüber gibt der Druck-Temperatur-Pfad, der Verlauf dieser beiden physikalischen Größen während der Gesteinsmetamorphose, sofern er mit großer Exaktheit rekonstruiert werden kann.
 
Druck und Temperatur als unabhängige Variablen bestimmen mit, welche Elemente in welchen Anteilen in das Kristallgitter von Mineralen eingebaut werden. Umgekehrt lässt die Zusammensetzung komplexer Mischkristalle qualitative und quantitative Rückschlüsse auf die Druck- und Temperaturverhältnisse zur Entstehungszeit zu. Ändert sich die Zusammensetzung eines solchen Mischkristalls systematisch, so dass "Wachstumszonen" voneinander abgegrenzt werden können, kann man die wechselvolle Druck- und Temperaturentwicklung, den P-T-Pfad, den das Gestein innerhalb etlicher Millionen von Jahren durchlief, aufspüren.
Im Blauschiefer kristallisiert Glaukophan, ein blassblau gefärbtes Hochdruck-Mineral der Amphibolgruppe, das durch seinen hohen Natriumgehalt charakterisiert ist. Außerdem finden sich im Gestein der südbretonischen Insel blaugrüne Amphibol-Mischkristalle mit weniger Natrium und viel Calcium. Sie überwuchsen zum Teil den blassblauen Glaukophan und sind demnach später entstanden. Die Stabilitätsbedingungen für die beiden unterschiedlichen Mischkristalle sind jedoch so weit gespannt, dass sich daraus noch kein klares Bild über den Druck- und Temperaturverlauf ergibt.
 
Was beim Aufwachsen des variskischen Gebirges tatsächlich geschah, konnte erst mit Hilfe einer Elektronenstrahl-Mikrosonde geklärt werden. Die Blauschiefer wurden in zwei aufeinanderfolgenden Stufen in die Tiefe der Erdkruste versenkt. Beide Male stiegen Druck und Temperatur zunächst an und sanken dann wieder; im zweiten Prozess lagen die Temperaturen allerdings wesentlich höher. Dass das Schiefergestein dabei nicht umgewandelt und verbraucht wurde, hatte eine zusätzliche Ursache: es fehlte an Wasser. Die zweite Versenkung hat die Blauschiefer wahrscheinlich für etliche Millionen Jahre vor der Erosion bewahrt.
 
Die Geothermobarometrie, die die Berechnung von Druck-Temperatur-Pfaden aus der chemischen Zonierung von Mischkristallen ermöglicht, will das deutsch-französische Forscherteam bei weiteren Untersuchungen in der Nordwestbretagne einsetzen. Zur Gruppe gehören Dr. Claude Audren und Dr. Claude Triboulet vom Centre Nationale de la Recherche Scientifique (C.N.R.S.) in Rennes und Paris. Die Zusammenarbeit mit dem Institut für Geologie der FAU dauert bereits zwölf Jahre.
 
Weitere Informationen
PD Dr. Bernhard Schulz
Institut für Geologie und Mineralogie
Tel.: 09131/85 -22615
bschulz@geol.uni-erlangen.de
 

Mediendienst FORSCHUNG Nr. 622 vom 28.02.2002


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