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- Interdisziplinäre Kooperation an
der FAU präsentiert sich auf der Fachmesse Stone+tec 2001
Wer Steine kennt, blickt in Vergangenheit
und Zukunft
- Schon 40 Jahre nach seiner Errichtung
drohte das Nationaldenkmal Op den Dam, das den niederländischen
Widerstand im 2. Weltkrieg symbolisiert, auseinander zu fallen.
Senkrechte Risse erschienen, als ob unsichtbare Keile die Steinblöcke
in Schichten aufzuspalten versuchten; eine Platte der Relief-
und Figurengruppe war abgebrochen. Wie konnte der Travertin,
ein Kalkstein, der sich beim Bau von Rom bewährt hatte,
in Amsterdam in derart kurzer Zeit verwittern? Ließ sich
die Zerstörung aufhalten, war das Denkmal zu retten? Problemen
dieser Art widmet sich die Interdisziplinäre Bausteinforschung,
ein Zusammenschluss von zehn Instituten und Lehrstühlen
an der Universität Erlangen-Nürnberg. Auf der Fachmesse
Stone+tec vom 24. bis zum 27. Mai im Nürnberger Messegelände
(Halle 1, Stand 102) können Industrie und öffentliche
Institutionen das breite Spektrum der Fachkenntnisse in dieser
Kooperation und das Angebot an wissenschaftlich fundierten, praxisorientierten
Dienstleistungen kennenlernen.
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- "Welche Eigenschaften Kalksteine und
Sandsteine als Bau- und Werkstoffe zeigen, wird weitestgehend
von ihrer frühesten Entstehungsgeschichte gesteuert",
erklärt Prof. Dr. Roman Koch, der Leiter der Arbeitsgruppe
Faziesforschung-Bausteinforschung am Erlanger Institut für
Paläontologie. Er fungiert als Kontaktperson für den
Verbund, der sich auf diese Gesteinsarten spezialisiert hat.
Als Partner dabei sind außerdem die Institute für
Geologie und Mineralogie, für Geographie und für Anorganische
und Allgemeine Chemie sowie die Lehrstühle für Glas
und Keramik, für Kristallographie und Strukturphysik, für
Angewandte Mathematik I, Angewandte Physik, Physikalische Chemie
I und für Bayerische und Fränkische Landesgeschichte.
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- Im Brennpunkt verschiedener Wissenschaften
- Sedimentgesteine, die durch die Verwitterung
anderer Gesteine und aus Ablagerungen oder Abscheidungen von
Organismen entstanden sind, haben auf ihrem langen Weg vom Lockersediment
zum Gestein viele Bildungsphasen in geologischen Zeiträumen
durchlaufen. Dabei werden die Gesteinseigenschaften besonders
durch die frühesten Bildungsbedingungen (Primärfazies)
geprägt. Unter hoher oder geringer Strömungsenergie
des Wassers werden grobkörnige oder feinkörnige Sedimente
angehäuft. In den kleinen freien Poren zwischen den Körnern
(vergleichbar nassem Sand) werden bald nach der Ablagerung Minerale
aus dem Wasser ausgeschieden, die zur ersten Verfestigung führen.
Die weitere Verfestigung erfolgt während der Versenkung
in größere Tiefen (mehrere 1000 Meter). Hier kann
es durch tektonische Kräfte (Druck, Faltung, Verschiebung)
zusätzlich zur Bildung von Rissen und großen Klüften
kommen, die dann Schwächungszonen im Gestein darstellen.
Nur die Zusammenschau aller Parameter erlaubt es, die heute vorliegenden
bautechnischen Eigenschaften durch den Blick in die Vergangenheit
der Sedimentgesteine erklären und ihr Verwitterungsverhalten
vorhersagen zu können.
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- Geht es um Qualitätsmerksmale, Verwendbarkeit,
Restaurierung und Konservierung solcher Steine, ist es deshalb
verständlich, dass die Anlaufstelle bei den Geowissenschaften
eingerichtet wurde. An der Universität Erlangen-Nürnberg
erstrecken sich geowissenschaftliche Untersuchungen u. a. auf
die räumliche Verteilung unterschiedlicher Gesteinsqualitäten
und das tektonische Inventar von Steinbrüchen, auf die Korngrößen-Charakteristika
von Sedimentgesteinen, ihre technischen Kenngrößen
und ihre mineralogische Zusammensetzung.
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- Die Bandbreite anderer Fachrichtungen in
der Interdisziplinären Bausteinforschung wirkt vielleicht
überraschend, aber nur auf den ersten Blick. Sand- und Kalksteine,
im Stadtbild oft vom Anblick her vertraut, sind Baustoffe von
sehr komplexer Struktur. Wichtige Kenngrößen sind
zum Beispiel die Durchlässigkeit für Wasser, die Speicherungsfähigkeit
und der Sättigungsgrad, die durch die Form und Größe
feinster Poren zwischen den Körnern gesteuert werden. Derartige
Fragen zur Feuchte von Gesteinen fallen in die Zuständigkeit
der Physik und der Werkstoffwissenschaften. Die Angewandte Mathematik
kann hierzu Modelle von Porenräumen und deren Vernetzung
erstellen, so dass kleinste Proben ausreichen, einen Baustein
in dieser Hinsicht zu klassifizieren.
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- So brachte eine Kombination aus klimatischen
Bedingungen und Gesteinseigenschaften das niederländische
Nationaldenkmal an den Rand des Zerfalls. Der Travertin, der
"Stein vom Tiber", speichert in hohem Grade Feuchtigkeit,
die in dem nördlichen Klima nie austrocknen konnte und unter
anderem die Frostsprengung begünstigt. Intensives Trocknen
der behandlungsbedürftigen Elemente und eine Durchtränkung
mit Acrylharz im Vakuum (nach der Methode der Firma Jbach-Steinkonservierung
in Bischberg) retteten das Denkmal, das rechtzeitig zum Nationalfeiertag
am 4. Mai 1998 wieder intakt aufgebaut war.
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- Die Wechselwirkung verschiedener Konservierungsmittel
mit der Gesteinsmatrix und den internen Strukturen eines Sedimentgesteins
wird gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Physikalische Chemie
untersucht. Mikrobiologen steuern Kenntnisse über die Folgen
der Besiedlung von Werksteinen mit Pflanzen, Pilzen oder Bakterien
bei. Langfristig ist an antimikrobielle Schutzschichten gedacht,
die ein Objekt reinhalten können.
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- Die Kombination von geowissenschaftlichen
Fragen und kulturhistorischen Aspekten in der Zusammenarbeit
mit der Landesgeschichte ist eine Besonderheit der Erlanger Bausteinforschung.
Welche Steinbrüche in der Umgebung in früheren Zeiten
genutzt wurden, wohin die Steine transportiert und wie sie verbaut
wurden, welche Farben und Strukturen den Vorzug erhielten - dies
alles rundet sich zu einem Bild, das einen Teil der regionalen
Identität ausmacht.
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- Aktuelles Projekt: Der Südturm des
Ulmer Münsters
- Für den rechten Ort den richtigen Stein
auszuwählen, ist eine der zentralen Anforderungen, wenn
historische Gebäude fachgerecht restauriert werden sollen.
Eines der aktuellen Projekte der Erlanger Bausteinforschung ist
darauf konzentriert. Im Auftrag von Ingrid Rommel, (Münsterbaumeisterin
von Ulm) - in Deutschland der ersten Frau in einer solchen Funktion
- hat Prof. Koch nach Kalkstein gesucht, der in den Südturm
des Gotteshauses ersatzweise eingefügt werden kann. An Rosetten
im Helm des Turms zeigen sich deutliche Verwitterungserscheinungen,
teilweise ist die steinerne Oberfläche abgeplatzt. Dieser
Schaden soll auf adäquate Weise behoben werden.
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- Die Verzierungen sind aus einem hellen, gelblich-
bis rosafarbenen Kalkstein angefertigt, der in Frankreich in
der Nähe des Ortes Savonnières (in der Umgebung von
Nancy) zu finden ist. Die runden oder ovalen Kalkkörner,
die, abgeleitet vom griechischen Wort "Oon" für
"Ei", als Ooide bezeichnet werden, geben dem Stein
seinen Namen: Savonnières-Oolith. Zwei Steinbrüche,
die heute noch solches Material anbieten, kamen in die engere
Wahl, und der eingehende Vergleich der Gesteinsproben ergab,
dass der gesuchte Typus darunter war. Auch wenn das Abbaugebiet
damit gefunden ist, muss genau eingegrenzt werden, welche Stellen
der Werksteinbank geeignete Blöcke liefern können,
ohne dass Klüfte die Ausbeute einengen oder Qualitätseinbußen
zu befürchten sind. Fehler bei der damaligen Auswahl einiger
Kalksteine sollen nicht wiederholt werden. "Die verwitterten
Teile der Rosetten sind aus minderwertigem Oolith", urteilt
Prof. Koch, "sonst wären sie heute nicht so stark angegriffen."
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- Kenntnisse über die Entstehungsbedingungen
des Savonnières-Ooliths vor 145 Millionen Jahren auf der
einen, bautechnische und gesteinsphysikalische Daten aus neuester
Zeit auf der anderen Seite ergänzen einander und machen
es möglich, die beste Wahl zu treffen. Geländebegehungen
in den Gesteinsvorkommen waren ebenso notwendig wie detaillierte
Eigenschafts- und Verwitterungsanalysen an Proben des alten und
neuen Gesteins im Labor. Das Projekt hat im Mai 2000 begonnen
und wird noch in diesem Jahr abgeschlossen, doch weitere, ähnliche
Arbeiten sind zu erwarten. "Die Renovierung des Südturms
am Ulmer Münster soll in vier Jahren beendet sein",
berichtet Prof. Koch. Das Münster besteht aus sehr unterschiedlichen
Steinen, die Ersatz von gleichem oder sogar höherem Wert
verlangen; für die Bausteinforschung gibt es hier also ein
weites Betätigungsfeld.
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- Kontakt:
Prof. Dr. Roman Koch
Arbeitsgruppe Faziesforschung, Institut für Paläontologie
Loewenichstraße 28, 91054 Erlangen
Tel.: 09131/85 -22714, Fax: 09131/85 -22690
E-Mail: rkoch@pal.uni-erlangen.de
Mediendienst FORSCHUNG Nr. 596 vom 18.05.2001
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
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