-
- Molekulare Superlative auf der Titelseite
einer Fachzeitschrift von internationaler Bedeutung
Die längste Kette und die stärkste
Krümmung
- An vorderste Stelle rückt eine der
international führenden Fachzeitschriften für Chemiker
Ergebnisse der Grundlagenforschung am Institut für Organische
Chemie der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Juli-Ausgabe
von "Inorganic Chemistry", herausgegeben von der American
Chemical Society, zeigt auf ihrem Titelblatt Aufnahmen der längsten
linearen Kohlenstoffkette, die bisher strukturell charakterisiert
werden konnte, und der am stärksten gebogenen Kohlenstoffkette,
die derzeit bekannt ist. Die Beschreibung der zwei "Molekülstrukturen
der Superlative" gelang den Diplom-Chemikern Wolfgang Mohr
und Jürgen Stahl aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. John
A. Gladysz.
-
- Bereits seit der Antike sind Diamant und
Graphit als die natürlich vorkommenden Modifikationen des
Kohlenstoffs bekannt. Sie unterscheiden sich im geometrischen
Aufbau der Kohlenstoffatome, die im Falle des Diamant die Eckpunkte
einer regelmäßigen viereckigen Pyramide einnehmen,
beim Graphit eine ebene Fläche bilden. Ein drittes Polymer,
das aus linear aneinandergereihten Kohlenstoffatomen besteht,
wäre im Prinzip denkbar. Bisher konnte jedoch ein solches
Material weder hergestellt noch beschrieben werden, und einige
Chemiker bezweifeln, ob diese Verbindung stabil sei. Andere wiederum
sind der Meinung, dass sie sich verbiegen könnte, um schließlich
kleinere molekulare Formen des Kohlenstoffs, wie z. B. die fußballähnlichen
Fullerene zu bilden.
-
- Molekulare Drähte
-
- Übergangsmetalle sind bekannt für
ihre Fähigkeit, reaktive Spezies zu stabilisieren. Mitarbeiter
des Arbeitskreises von Prof. Gladysz konzentrieren sich deshalb
seit einiger Zeit auf die Synthese von Komplexverbindungen, in
denen lineare Kohlenstoffketten zwei Metallzentren verknüpfen.
Die meisten Metallkomplexe können oxidiert bzw. reduziert
werden, d. h. ihre Ladung ändern und dabei interessante
elektronische Eigenschaften an den Tag legen. Die verbrückende
Kohlenstoffkette kann ähnlich einem Draht leicht Elektronen
übertragen. Solche Verbindungen sind interessant im Zusammenhang
mit der Nanotechnologie, wo sie als molekulare Drähte oder
Schalter fungieren sollen. Die Projekte der Forschungsgruppe
sind sowohl auf die Optimierung der elektronischen Eigenschaften
als auch auf die Abschirmung der Kohlenstoffliganden durch eine
Schutzhülle ausgerichtet, ähnlich der Isolierung an
Kabeln von Haushaltsgeräten.
-
- Am 2. Juli 2001 erscheint in der Fachzeitschrift
Inorganic Chemistry eine Veröffentlichung von Wolfgang Mohr
und Jürgen Stahl. Sie beschreibt die Verlängerung der
Kohlenstoffkette bzw. eine Modellverbindung für das polymere
Carbin. Es wurden neue Methoden entwickelt, die die Herstellung
der Platin-Kohlenstoff-Verbindungen PtC12Pt und PtC16Pt
(Pt = Platin) in guten Ausbeuten ermöglichen. In Zusammenarbeit
mit Dr. Frank Hampel konnten Röntgenstrukturanalysen - eine
Art molekulare Photographie - durchgeführt werden. PtC16Pt ist die bis heute längste
lineare Kohlenstoffkette, von der ein solches Bild aufgenommen
werden konnte. In der Fachliteratur wurde zwar bereits von längeren
Ketten berichtet, doch waren diese Moleküle für derartige
Messungen nicht stabil genug. Das Bild von PtC12Pt zeigte eine bemerkenswerte Krümmung, die für
solche Ketten beispiellos ist. Für diese überraschende
Geometrie konnte bisher keine Erklärung gefunden werden,
doch stützt sie die Idee, dass sich lange Ketten leicht
zu den kugelförmigen Fullerenen (Bucky Balls) zersetzen
könnten.
-
- Der Herausgeber von Inorganic Chemistry (Professor
R. Eisenberg, University of Rochester, New York) war von den
Ergebnissen so angetan, dass diese auf der Titelseite der Ausgabe
des 2. Juli speziell hervorgehoben werden. Da jede Ausgabe etwa
fünfzig Veröffentlichungen beinhaltet, ist dies eine
besondere Anerkennung. Außerdem wurden damit zum erstenmal
die Arbeiten einer deutschen Forschungsgruppe auf diese Weise
honoriert.
-
- Es ist naheliegend, dass als nächstes
versucht werden soll, die Kette noch länger und damit polymer-ähnlicher
zu machen. Zudem konnten Dipl.-Chem. Jürgen Stahl und Dipl.-Chem.
Eike Bauer eine geschickte Methode zur "Isolierung"
der Kohlenstoffketten entwickeln. Diese Forschungsarbeiten sind
inzwischen fast abgeschlossen und werden in naher Zukunft in
der wissenschaftlichen Literatur erneut für Aufsehen sorgen.
-
- · Weitere Informationen:
Prof. Dr. John A. Gladysz, Institut für Organische Chemie
Henkestraße 42, 91054 Erlangen
Tel.: 09131/85 -22540, Fax: 09131/85 -26865
E-Mail: gladysz@organik.uni-erlangen.de
Mediendienst FORSCHUNG Nr. 603 vom 02.07.2001
Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
pressestelle@zuv.uni-erlangen.de