Für Chemiker sind Katalysatoren das "Salz in der Suppe":
sie beschleunigen Reaktionen und senken den Energiebedarf, werden
aber selbst nicht verbraucht. Um ein reines Endprodukt zurückzulassen
und erneut verwendbar zu sein, muss die Katalysatorsubstanz jedoch
abgetrennt und "herausgefischt" werden. An der Universität
Erlangen-Nürnberg hat eine Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für
Organische Chemie I von Prof. Dr. John A. Gladysz einen neuen
Weg eingeschlagen. Die Löslichkeit von Katalysatoren wird
eng an die Temperatur gekoppelt. Der Erlanger Chemiker Marc Wende
erreicht dies, indem er diesen Stoffen Molekülgruppen anhängt,
die er "Pony tails" oder "Pferdeschwänze"
getauft hat. Für das Recycling von Katalysatoren bedeutet
das einen großen Fortschritt.
In der chemischen Industrie sind Katalysatoren
allgegenwärtig. Sie erfüllen viele Kriterien der Umweltfreundlichkeit.
Nur kleine Mengen werden normalerweise gebraucht, um die Energiebarriere
für die Reaktion zwischen zwei Ausgangschemikalien abzusenken,
also Energie zu sparen. Oftmals entsteht so mehr vom gewünschten
Produkt und weniger Abfall. Ökologische wie ökonomische
Faktoren sprechen dafür, Katalysatoren so vom Produkt abzulösen,
dass sie wieder verwendet werden können.
Viele einfallsreiche Strategien verfolgen
dieses Ziel. Feste, unlösliche Katalysatoren - wie die Geflechte
aus Edelmetallen, die Schadstoffe aus den Autoabgasen entfernen
- lassen sich leicht von den flüssigen oder gasförmigen
Produkten trennen, doch sie sind wenig aktiv und verursachen
oft Nebenreaktionen. Da die meisten organischen Chemikalien ölähnlich
sind und sich nicht mit Wasser mischen, bieten sich wasserlösliche
Katalysatoren an. Diese Reaktionen verlaufen oft sehr träge,
und aus dem Abwasser müssen die Chemikalienreste mit viel
Aufwand entfernt werden. Neueste Katalysatoren lösen sich
in "ionischen Flüssigkeiten" oder hochfluorierten
flüssigen Kohlenwasserstoffen, deren Mischbarkeit mit konventionellen
organischen Reagenzien und Lösungsmitteln von der Temperatur
abhängt. Schnelle Reaktionen bei höheren Temperaturen
werden damit möglich. Vor allem die "fluorigen"
Lösungsmittel sind sehr teuer, zwar nicht giftig, doch äußerst
haltbar, was die Abfallbeseitung erschwert.
Nudeln im Sieb Dass Chemikalien bei verschiedenen
Temperaturen unterschiedliches Verhalten zeigen, nützt die
in Erlangen entwickelte neue Methode auf andere Weise. Marc Wende
fand heraus, dass extrem temperaturabhängige Löslichkeiten
zu erzielen sind, wenn an einem Katalysator ausreichend lange
und genügend viele "Pony tails" einer bestimmten
Zusammensetzung angebracht werden. Beispielsweise erhält
man so einen phosphorhaltiger Katalysator, der in organischen
Lösungsmitteln bei Raumtemperatur kaum löslich ist,
bei 100°C jedoch 150 mal besser. Die Reaktion wird bei einer
günstigen, höheren Temperatur durchgeführt; anschließend
kann man die Flüssigkeit einfach abkühlen lassen und
den Katalysator herausfiltrieren, so wie Nudeln mit einem Sieb
aus dem Kochwasser entfernt werden. Das Produkt bleibt in der
Lösung.
Am 21. November 2001 veröffentlichte
das "Journal of the American Chemical Society", die
weltweit führende Fachzeitschrift für Chemie, einen
Beitrag von Marc Wende, Dr. Ralf Meier und Prof. John Gladysz,
in dem diese Nutzung des Thermomorphismus, der mit der Wärme
gekoppelten Löslichkeit, für das Recycling von Katalysatoren
vorgestellt wird. Die "Pferdeschwänze" sind nach
der Formel (CH2)m(CF2)n-1CF3 aufgebaut, bestehen also aus Kohlenstoff,
Wasserstoff und einem hohen Anteil Fluor, wobei der Betrag für
die Zahl m typischerweise zwischen 0 und 3 und der Betrag für
n zwischen 6 und 10 liegt. Die chemische Zusammensetzung ist
der von Teflon sehr ähnlich.
"Heiliger Gral" entdeckt Um einen solchermaßen "geschwänzten"
Katalysator wieder und wieder zu verwenden, sind weder ein weiteres
Lösungsmittel noch exotische Zusätze oder eine spezielle
Ausrüstung nötig. Als Variante dieser Methode beschreibt
der Artikel die Verwendung von Teflon-Spänen, auf deren
Oberfläche sich der ausfallende Katalysator abscheidet.
Dies erleichtert das Abfiltrieren und damit das Recycling der
sehr kleinen Mengen. In einer zweiten Variante wird komplett
auf ein Lösungsmittel verzichtet, der Katalysator fällt
beim Abkühlen wieder aus. Solche Reaktionen ohne Lösungsmittel
sind der "Heilige Gral" der "Grünen Chemie".
Eine Vielzahl von Versuchen wurde durchgeführt, um sicherzustellen,
dass der Katalysator zurückgewonnen und nicht mit dem Lösungsmittel
oder den Produkten entfernt wird.
Christian Rocaboy vom Lehrstuhl für
Organische Chemie I der FAU stellte kürzlich thermomorphe
Katalysatoren mit Übergangsmetallen als reaktivem Zentrum
her. Diese und weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Außerdem
wurden sowohl die von Wende und Rocaboy entdeckte generelle Methode,
als auch spezifische Daten zu ihren Anwendungen patentiert. Dank
der breiten Anwendbarkeit des Phänomens und der Möglichkeit,
die Löslichkeit der Katalysatoren durch Verlängern,
Verkürzen oder Verzweigen der "Pferdeschwänze"
sehr genau einzustellen, ist zu erwarten, dass industrielle Anwender
beträchtliches Interesse zeigen.