Neuerwerbungen der Universitätsbibliothek
Schulhefte von Carl Ludwig Sand
Die Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg ist seit
kurzem in Besitz von vier Schulheften des Gründers der Erlanger
Burschenschaft Teutonia, Carl Ludwig Sand, die sie auf einer
Auktion erwerben konnte. Die Aufsatzhefte des Korpsstudenten,
der durch den Mord am Dramatiker August von Kotzebue eine nachhaltige
Rolle in der deutschen Geschichte spielt, stammen aus dem Jahre
1812/13. Auf insgesamt 46 Seiten finden sich vier Aufsätze,
je einer zu einem historischen und einem literarischen Thema
sowie zwei "Besinnungsaufsätze" über Aspekte
der Freundschaft.
-
- Die in den Burschenschaften des frühen
19. Jahrhunderts organisierten Studenten waren zumeist Teilnehmer
an den Befreiungskriegen gegen das napoleonische Frankreich gewesen
und von den damaligen politischen Gegebenheiten der "Restaurationszeit",
die von der Schaffung eines deutschen Einheitsstaates weit entfernt
waren, stark enttäuscht. Einer der einflussreichsten Köpfe
war Carl Ludwig Sand.
-
- Sand wurde am 5. Oktober 1795 im oberfränkischen
Wunsiedel geboren und studierte zunächst in Tübingen
und anschließend ab 1815 in Erlangen Theologie. Hier gründete
er in der Nacht zum 27. August 1816 eine burschenschaftliche
Verbindung, die von den gegnerischen, eher unpolitischen Landsmannschaften
spöttisch "Teutonia" genannt wurde und in der
am 1. Dezember 1817 in Erlangen auf dem Wels, einem Wirtshaus
am Burgberg, gegründeten "Allgemeinen Burschenschaft"
aufging. Sand war mit seiner ausgeprägten antinapoleonischen
Gesinnung führend an der Burschenschaftsbewegung beteiligt.
Nach dem Wartburgfest vom 18. Oktober 1817, auf dem die Forderungen
nach einem deutschen Einheitsstaat in freiheitlicher Ordnung
laut wurden, immatrikulierte sich Sand an der Universität
Jena. Hier plante er unter dem Einfluss des Privatdozenten Karl
Follen ein Attentat auf den Dramatiker und russischen Staatsrat
August von Kotzebue, der als einer der exponiertesten Gegner
der deutschen Nationalstaatsbewegung galt, und ermordete ihn
am 23. Mai 1819 in Mannheim; der Prozess gegen Sand endete mit
seiner Hinrichtung am 20. Mai 1820. Sands Attentat führte
in letzter Konsequenz zu den restriktiven Karlsbader Beschlüssen
mit der Unterdrückung freiheitlicher Bestrebungen durch
Pressezensur, Burschenschaftsverbot und Überwachung der
Universitäten und ließ ihn zu einer Idolfigur für
die Nationalstaatsbewegung bis zur Reichsgründung 1871 werden.
In Erlangen wurde die Ludwig-Sand-Straße nach ihm benannt.
-
- Biographien bereits zu Lebzeiten
Sands Tat erregte damals in ganz Europa
so großes Aufsehen, dass noch zu seinen Lebzeiten die ersten
Biographien über ihn erschienen. Bereits 1819 kam bei Bauer
& Raspe in Nürnberg "Die wichtigsten Lebensmomente
Karl Ludwig Sand's aus Wunsiedel" heraus, gefolgt von dem
Nachtrag zu den wichtigsten Lebensmomenten Karl Ludwig Sand's
(1820). In Paris erschien 1819 eine anonyme, aus dem Englischen
übersetzte Lebensbeschreibung mit dem Titel "Mémoires
de Charles-Louis Sand avec le récit des circonstances
qui ont accompagné l'assassinat d'Auguste de Kotzebue
et une justification des universités d'Allemagne".
Eine weitere anonyme Biographie erschien 1820 in Augsburg.
Neben diesen zeitgenössischen Werken und moderner Sekundärliteratur
wird in der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg
weiteres Material über Carl Ludwig Sand aufbewahrt. Dazu
zählen mehrere Porträts sowie zwei szenische Darstellungen:
zum einen eine handkolorierte Radierung, die den Abschied Sands
von seiner Heimat zeigt, zum anderen ein Holzschnitt mit der
Ermordung Kotzebues.
-
- Umfangreicher Teilnachlass
Eine besondere Rarität stellen die vier erst kürzlich
auf einer Auktion erworbenen Aufsatzhefte aus den Jahren 1812/1813
dar: "Ueber den Charakter der alten Teutschen zur Zeit der
ersten Römischen Kaiser. Nach Tacitus" - "Inkel
und Menalkas. Eine Idylle über den Frühling" -
"Selbst die Trennung v. wahren Freunden verschafft uns vieles
Vergnügen" und "Warum sind ächte Freundschaften
[auf] Schulen so selten?"
-
- Der Gesamtumfang der Hefte beträgt 46
Seiten. Damit dürfte sich die Universitätsbibliothek
Erlangen-Nürnberg im Besitz eines der umfangreichsten Teilnachlässe
Carl Ludwig Sands befinden. Ein Gesamtnachlass Sands existiert
nicht: weiteres autographisches Material befindet sich zum Teil
noch in Familienbesitz; 17 Briefe Sands werden im Archiv der
Burschenschaft der Bubenreuther verwahrt, weitere Briefe besitzt
das Fichtelgebirgsmuseum in Wunsiedel. In Mannheim, wo Sand 1820
hingerichtet wurde, finden sich einige Memorabilien im dortigen
Reiss-Museum.
-
- Weitere Informationen:
- Universitätsbibliothek
Dr. Christina Hofmann-Randall
Tel: 09131/85 -22158
-
- Mediendienst Aktuell Nr. 2609 vom 23.11.2001
Sachgebiet
Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle) pressestelle@zuv.uni-erlangen.de