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„Da soll ein Problem gelöst werden, das die bayerischen Unis nicht haben“

Verantwortliche der FAU: Bei uns gibt es kein Zulassungschaos

Kaum läuft das Bewerbungsverfahren für die lokal zulassungsbeschränkten Studiengänge, wird in der Öffentlichkeit über ein „Zulassungschaos“ spekuliert – verbunden mit dem Hinweis auf die terminlichen Verzögerungen des sogenannten „Dialogorientierten Serviceverfahrens“ (DoSV), einem Portal, mit dem sich Studieninteressierte für örtlich beschränkte Studiengänge bewerben können. Dr. Wolfgang Henning, Leiter der Abteilung Lehre und Studium an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), kann die Diskussionen darüber nicht mehr hören. „Das DoSV soll ein Problem lösen, das die bayerischen Universitäten nicht haben. Und dort, wo ein Problem besteht, ist das Verfahren als Lösungsansatz ungeeignet.“ Und FAU-Kanzler Thomas A.H. Schöck ergänzt: „An der FAU gab und gibt es kein Zulassungschaos.“

Die Geschichte ist schnell erzählt: An den meisten Universitäten gibt es neben vielen frei zugänglichen Studiengängen auch solche, die mit einem lokalen Numerus clausus (NC) versehen sind. Meist sind das Studienangebote, bei denen die Zahl der Interessenten die Zahl der verfügbaren Studienplätze deutlich übersteigt. Dafür muss man sich bewerben, und die Uni sucht nach intern festgelegten Kriterien (Abi-Note, Wartezeit etc.) die Interessenten aus, denen sie einen Studienplatz zusagt. Um ihre Chancen auf einen Studienplatz zu maximieren, bewerben sich potenzielle Studienanfänger häufig gleichzeitig bei verschiedenen Universitäten. Die Folge: Werden einem Bewerber oder einer Bewerberin mehrere Studienplätze angeboten, kann er oder sie nur einen annehmen, die anderen Plätze sind erst einmal wieder frei. Und dadurch entsteht, so die landläufige Vorstellung, ein Zulassungschaos, denn während manche Unis alle Plätze vergeben und viele Bewerber abweisen, gibt es andere, an denen Plätze frei bleiben. Das DoSV soll Abhilfe schaffen, allen Bewerbern einen Studienplatz vermitteln und zur vom Bundesverfassungsgericht geforderten „erschöpfenden Nutzung der Kapazitäten“ führen.

Dass es bundesweit in manchen NC-Fächern freie Plätze geben mag, bestreitet Henning nicht. Wohl aber die Annahme, dass es dafür eine automatisierte Lösung geben könnte. Der Grund: Die Interessenten wollen ihr Studienfach nicht irgendwo studieren, sondern eben an ganz bestimmten Universitäten. „Die Studienplätze in unserem Land sind weder über die Wunschfächer noch über die Wunschorte der Studienanfänger angemessen verteilt“, erläutert Henning, der wie zahlreiche seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf eine jahrzehntelange Erfahrung in der Vergabe von Studienplätzen zurückschauen kann. „Wer in Hamburg keinen Platz in seinem Lieblingsstudiengang findet, ist meist einfach nicht bereit, sich in Passau einzuschreiben – auch wenn dort Plätze verfügbar sind. Seit den 1960er Jahren weisen empirische Untersuchungen kontinuierlich nach, dass dieses Präferenzverhalten auf mindestens zwei Drittel aller Studienanfängerinnen und -anfänger zutrifft. Das hat sozialpsychologische Ursachen ebenso wie finanzielle und wird sich durch das G8 sicher noch weiter verschärfen.“

Konkrete Beispiele belegen diese Aussage: An einer Berliner Universität beispielsweise liegt der lokale NC für Germanistik bei 1,6, die durchschnittliche Wartezeit beträgt zehn Semester. In Hamburg muss man durchschnittlich acht Semester auf einen Germanistik-Studienplatz warten, wenn die Abi-Note schlechter als 2,2 ist – in einem Fach, das an den meisten anderen deutschen Universitäten zulassungsfrei ist. „Wer ernsthaft Germanistik studieren will, wird sich auch an anderen Universitäten umschauen, bevor er zehn Semester auf einen Studienplatz wartet“, ist sich Henning sicher. „An der FAU kann man sich für Germanistik sofort einschreiben und hat nach zehn Semestern sowohl den Bachelor- als auch den Masterabschluss in der Tasche.“ Doch an der ortsbezogenen Studienwahl, so Henning, werde auch ein funktionierendes DoSV nichts ändern.

Dass darüber hinaus auch die Software bislang noch gar nicht funktioniert, liegt für den Experten weniger in der (sicher auch nicht ganz einfachen) Abstimmung von zentralen und dezentralen Softwarekomponenten, sondern an systemimmanenten Schwierigkeiten: „Es gibt an den Hochschulen ja nicht nur Ein-Fach-Studiengänge, sondern auch Kombinationen von Fächern. Die sind überall verschieden und beziehen zum Teil auch Angebote von Nachbaruniversitäten mit ein.“ Diese Komplexität allerdings könne die Software derzeit nicht richtig abbilden: „Was nützt es, wenn man einem Kandidaten ein Wunschfach an einer Hochschule anbietet, sein zweites Wunschfach aber dort nicht frei ist oder am Ende nicht einmal existiert?“ Die Tatsache, dass Studiengänge gleichen Inhalts an verschiedenen Universitäten unterschiedlich heißen (so können die Begriffe Wirtschaftswissenschaften, BWL und Ökonomie beispielsweise für zumindest vergleichbare Studiengänge stehen), ist dagegen ein kleineres Problem – in der Theorie zumindest, denn in der Praxis, also softwareseitig, ist es auch noch nicht gelöst .

Die Universitäten drängen seit einiger Zeit darauf, die Studienplatz-Vergabe mit dem DoSV in einer ersten Stufe zunächst nur in stark nachgefragten und gut vergleichbaren Ein-Fach-Studiengängen wie etwa Psychologie durchzuführen. „Im Moment diskutieren wir mit den Entwicklern, ob und wie sich das umsetzen lässt“, erläutert Henning – und weist darauf hin, dass es bei den zuletzt 24 zulassungsbeschränkten Studiengängen in Erlangen und Nürnberg noch nie das Problem unbesetzter Studienplätze gegeben habe. „Die FAU und auch die anderen bayerischen Universitäten haben ihre Bewerbungsverfahren im Griff, können mit den Bewerberzahlen richtig umgehen und sind bei den Studieninteressierten so beliebt, dass die angebotenen Plätze auch angenommen werden.“ Und auch der Kanzler der FAU, Thomas A.H. Schöck, lässt keine Zweifel aufkommen: „Bei uns hat es noch nie ein Zulassungschaos gegeben.“

Weitere Informationen für die Medien:

Dr. Wolfgang Henning

Tel.: 09131/85-24074

wolfgang.henning@zuv.uni-erlangen.de

uni | mediendienst | aktuell Nr. 171/2012 vom 17.7.2012

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