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Die Erlanger Orangerie erstrahlt in neuem Glanz

Wiedereröffnung nach drei Jahren aufwändiger Restaurierung

39 Monate lang beherrschten Gerüste und Planen, Baucontainer und schweres Gerät, Bohrhämmer, Schleifmaschinen und Spachtel die Szenerie. Für mehr als drei Jahre war die Erlanger Orangerie, eines der wichtigsten und schönsten Baudenkmäler der Stadt, eine Baustelle. Jetzt sind die Handwerker verschwunden, der 306 Jahre alte Barockbau erstrahlt in neuem Glanz. Am Montag, 18. Juni 2012, wurde die Erlanger Orangerie nach spannenden und aufwändigen Restaurierungsarbeiten feierlich wieder eröffnet.

Bilder der Eröffnung

Die Restaurierung eines über 300 Jahre alten Bauwerks ist immer eine besondere Herausforderung. Die Orangerie, die der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gehört, machte da keine Ausnahme. „Spätestens beim Blick auf die größtenteils maroden Balken des Dachstuhls ist selbst dem baufachlichen Laien klar geworden, welche Herausforderungen so ein Gebäude für Bauleitung und Bauarbeiter darstellt“, sagt FAU-Präsident Prof. Dr. Karl-Dieter Grüske. „Was hier in gerade mal drei Jahren Bauzeit geleistet wurde, ist wirklich bewundernswert. Mein Respekt und mein Dank gelten allen, die an der Renovierung beteiligt waren.“

Dazu zählen auch die zahlreichen Spender, die im Rahmen einer groß angelegten Förderkampagne im Jahr 2006 den Grundstein für die Finanzierung der teuren Restaurierungsarbeiten gelegt hatten. Unter dem Motto „Rettet unsere Orangerie! Eine Erlanger Schönheit braucht Hilfe“ waren damals 500.000 Euro als Grundstock für die Restaurierung zusammengekommen. „Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, der Unternehmen und Stiftungen war Initialzündung und Voraussetzung für eine Baumaßnahme, die nach vielen Überraschungen und Herausforderungen am Ende zu einem rundum gelungenen Ergebnis geführt hat, das dem glanzvollen historischen Vorbild entspricht“, sagt Grüske.

Der Kampf mit dem Hausschwamm

Als größte Herausforderung erwies sich bei den Bauarbeiten relativ schnell der so genannte „Echte Hausschwamm“, ein insbesondere Holz, aber auch Stein befallender Pilz, der als der gefährlichste Gebäudezerstörer überhaupt gilt. „Das ganze Ausmaß des Pilzbefalls wurde trotz gründlicher Voruntersuchung der maroden Statik und der Fassadenschäden erst nach und nach erkennbar“, erläutert Dieter Maußner, der Leiter des Staatlichen Bauamtes Erlangen-Nürnberg, bei dem Planung, Projektleitung und Bausteuerung lagen. Die Myzele, also die fadenförmigen Zellen des Pilzes, hatten sich in den verborgenen Deckenfeldern und dem zweischaligen Mauerwerk unsichtbar und großflächig verbreitet. Untersuchungen ergaben, dass einige der trockenen Myzele bereits aus dem 18. Jahrhundert stammen mussten, also schon etwa 50 Jahre nach Fertigstellung der Orangerie mit ihrer zerstörerischen Arbeit begonnen hatten.

„Um das denkmalgeschützte Bauwerk nachhaltig zu retten, kam letztlich nur eine Generalsanierung in Frage“, erläutert Maußner. „Dabei waren wir angehalten, so viel wie nur irgendwie möglich von der ursprünglichen Substanz zu erhalten.“ So wurden beispielsweise bei den Dachbalken nur die vom Pilz befallenen Teile herausgenommen und durch passgenaue Nachbauten ersetzt. Modernste Untersuchungsmethoden sowie hoch spezialisierte Gutachter und Handwerker waren erforderlich, um den ursprünglichen Zustand der Orangerie wieder herzustellen.

Wie der Wassersaal zu seinem Namen kam

Dabei hielt die Orangerie neben zahlreichen kostspieligen auch einige erfreuliche Überraschungen bereit. So wurde beispielsweise an einer geschützten Stelle des Bauwerks ein Rest des beim Bau verwendeten Außenputzes gefunden, der Aufschluss darüber gab, in welchem Farbton die Orangerie ursprünglich gestrichen worden war. „Wir hatten beschlossen, uns wo immer es möglich war an der ursprünglichen Gestaltung der Orangerie zu orientieren“, erläutert Bauamtsleiter Maußner. „Das führte natürlich dazu, dass die sanierte Orangerie sich in einigen Details von dem Bild unterscheidet, an das sich die Erlanger Bürger in den letzten Jahrzehnten gewöhnt haben. Am augenfälligsten ist das sicher bei der Außenfassade. Hier haben wir uns mit der jetzigen Farbgebung im historischen Goldocker dem beim Bau verwendeten Farbton so weit wie möglich wieder angenähert.“

Darüber hinaus entdeckten die Handwerker in den Ecken des Wassersaals die Überreste von vier in den Boden eingelassenen, muschelförmigen Brunnenschalen aus Stein, die dem Saal einst seinen Namen gaben. Sie konnten mit Natursteinaufsätzen so rekonstruiert werden, dass der neue Fußbodenbelag nun daran anschließt. Zusammen mit der Wandgestaltung, die sich ebenfalls an dem ursprünglichen Zustand orientiert, zeigt sich der Wassersaal nun wieder so, wie er vor über 300 Jahren entworfen wurde. Lediglich ein in der Mitte des Saales eingelassenes, etwa acht Quadratmeter großes Ovalbecken aus Sandstein, das im Zuge der Arbeiten entdeckt wurde, musste der geplanten Bestimmung des Wassersaals als repräsentativer Veranstaltungsort der Universität weichen. Es wurde allerdings im Verlegemuster des Bodenbelags aufgegriffen.

Ein kurzer Blick auf die Geschichte der Orangerie

Die Erlanger Residenz mit der 1705/06 errichteten Orangerie diente lange Zeit den Bayreuther Markgräfinnen als Witwensitz. Der im Mitteltrakt des Orangeriegebäudes gelegene Wassersaal war Ort geselliger höfischer Veranstaltungen, in den beiden bogenförmigen Gebäudetrakten wurden zur Winterzeit die Pflanzen für die Orangenzucht aufbewahrt – eine in der Barockzeit gleichsam beliebte wie aufwendige Beschäftigung. Die Erlanger Orangenzucht hatte allerdings nicht lange Bestand: 1755 wurde die Orangenkultur nach Bayreuth verlegt und die ursprüngliche Nutzung der Orangerie damit beendet. Zwischen 1760 und 1768 richtete man hier nun Zimmer für Cavaliere und Angehörige des Hofstaats ein.

Am 2. Oktober 1818 wurde die Orangerie gemeinsam mit anderen ehemaligen markgräflichen Gebäuden der 1743 gegründeten Universität übereignet. Zunächst zog hier die Anatomie ein, 1865 übernahmen das Pharmazeutische Institut sowie die Mineralogische, die Zootomische und die Pharmakognostische Sammlung dieses auch damals wohl repräsentativste Gebäude der Universität. Die Pharmazie und die 1884 der Universität angegliederte Staatliche Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genussmittel blieben bis zur Jahrhundertwende Hauptnutzer der Orangerie.

Heftige Proteste der Erlanger Öffentlichkeit verhinderten 1898 den Abriss der Orangerie, die 1899 ihre erste Generalsanierung erfuhr. Neben anderen Einrichtungen bezog nun die Kirchenmusik der FAU hier ihr Quartier. Sie gehört auch heute noch bzw. wieder zu den Nutzern des Gebäudes, das sie sich seit 1914 mit den Kunsthistorikern der Universität teilt.

Zahlen, Daten und Fakten zur Restaurierung

Die Erlanger Orangerie verfügt über eine Bruttogeschossfläche von insgesamt 3.000 Quadratmetern, von denen rund 1.000 als Hauptnutzfläche gezählt werden können. Der erste Bauantrag wurde im Dezember 2001 gestellt, Baubeginn war im März 2009. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 9,9 Millionen Euro. Beteiligt waren 31 Firmen und 14 Planungsbüros, die zum weitaus größten Teil aus der näheren Umgebung oder aus dem süddeutschen Raum kamen. Entwurfsplanung, Projektleitung und Projektsteuerung lagen beim Staatlichen Bauamt Erlangen-Nürnberg, das für den Freistaat Bayern auch die Funktion des Bauherrn übernahm. Das Gebäude verfügt nun über eine eigene Bibliothek, einen Musiksaal, zwei Orgeln, Büros für die Mitarbeiter und Seminarräume für die Studierenden der Kirchenmusik und der Kunstgeschichte. Der Wassersaal, das Zentrum der Orangerie, wird künftig für Veranstaltungen der Universität genutzt. Darüber hinaus steht er Brautpaaren als stimmungsvoller Ort für ihre standesamtliche Hochzeit zur Verfügung.

Zur Wiedereröffnung hat die Universität gemeinsam mit dem Staatlichen Bauamt eine Festschrift zur Orangerie erstellt, in der neben Beiträgen zur Nutzung der Orangerie auch tiefergehende Informationen zur Restaurierung zu finden sind.

Weitere Informationen für die Medien:

Heiner Stix

Pressesprecher

Tel.: 09131/85-70200

heiner.stix@zuv.uni-erlangen.de

uni | mediendienst | aktuell Nr. 139/2012 vom 18.6.2012

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