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Das Denken sichtbar machen

Uni-Klinikum Erlangen nimmt Magnetenzephalografen im Wert von 1,8 Millionen Euro in Betrieb

Rund 1,8 Millionen Euro haben der Freistaat Bayern und das Universitätsklinikum Erlangen in einen Magnetenzephalografen (MEG) investiert – den Einzigen in ganz Bayern. Am Samstag, 2. Juli 2011, wurde die sechs Tonnen schwere Anlage, mit der Denkprozesse im Gehirn berührungslos abgebildet werden können, in den Kopfkliniken gestartet. Das Gerät mit dem Namen „alpha-Vis“ dient unter anderem dazu, bei Patienten epileptische Anfallsherde zu bestimmen, neurochirurgische Operationen präzise zu planen und – im Rahmen eines interdisziplinären Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft – erstmals weltweit die Diagnostik von MEG, Kernspintomografie (MRT) und (Elektroenzephalogramm) EEG mit diesem System zu verschmelzen.

Dr. Stefan Rampp mit MEG / Foto: Uniklinikum Erlangen

Bild oben: Dr. Stefan Rampp, Arzt der Neurolo-

gischen Klinik, (neben dem Gerät)

Bild unten: Physiker Dr. Martin Kaltenhäuser

(steht vor den Monitoren) bei der Vorbereitung

zur Messung der Hirnaktivität bei einer jungen

Frau.

Fotos: Uni-Klinikum

Die MEG-Messung erfolgt passiv, das heißt, es werden keine magnetischen Felder erzeugt. Mit einem über 100 kg schweren Sensor in einer ölfassgroßen Kopfhaube, die mit Helium auf Weltraumtemperatur gekühlt ist, werden in einem 4 x 5 x 3 Meter großen, abgeschirmten Raum kleinste magnetische Felder im Femto- bis Picotesla-Bereich ermittelt. „Die gemessenen Magnetfelder sind hundertmillionen Mal schwächer als das Erdmagnetfeld. Das bedeutet zum Beispiel, wenn im zwei Kilometer entfernten Bahnhof ein ICE durchfährt, kann dies im MEG sichtbar gemacht werden“, sagte Prof. Dr. Hermann Stefan, erster Vorsitzender des interdisziplinären Arbeitskreises Biomagnetismus am Uni-Klinikum Erlangen. „Wir können auf diese Art und Weise dem Menschen beim Denken zusehen.“

Weltweit gibt es rund 100 MEG-Geräte, wobei in Erlangen eine amerikanische Anlage vom Typ „Magnes 3600WH“ mit der modernsten Ausstattung steht (Ganzkopf-Multikanal-MEG). Das hat Tradition: 1990 wurde das erste klinische Multikanal-MEG weltweit in Erlangen betrieben.

MEG im Einsatz / Foto. Uniklinikum Erlangen

Das jetzt installierte Gerät ist das dritte am Erlanger Standort. „Auf dem Gebiet der epileptologischen MEG-Diagnostik ist Erlangen das Zentrum mit der größten Erfahrung“, sagte der Leiter des Epilepsiezentrums, Prof. Dr. Hajo Hamer. „Wir können jetzt mit dem neuen Ganzkopf-MEG die langjährige Erfahrung von Prof. Stefans Teams für die klinisch-epileptologische Diagnostik im Epilepsiezentrum optimal nutzen.“

Erstmals weltweit Verschmelzung von elektrophysiologischer und funktioneller Bildgebung

Das alpha-Vis wird von der Neurochirurgischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Michael Buchfelder) in Kooperation mit der Neurologischen Klinik (Direktor Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan Schwab) und dem Epilepsiezentrum am Uni-Klinikum Erlangen betrieben. Es soll gemeinsam mit der HNO-Klinik (Direktor: Prof. Dr. Heinrich Iro), der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Johannes Kornhuber) und der Neuroradiologischen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. Arnd Dörfler) des Uni-Klinikums Erlangen und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in Zusammenarbeit mit der Universität Münster auch für die Grundlagenforschung genutzt werden. „Wir wollen erstmals weltweit die Diagnostik von MEG, EEG und Kernspintomografie im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft zusammenführen“, sagte Prof. Stefan. Es bestehen Forschungsverbünde mit Universitäten in Belgien (Gent), Frankreich (Marseille), Kroatien (Zagreb), China (Chengdu), Japan (Tokio) und den USA (Utah). „Die Forschungsergebnisse kommen unseren Patienten direkt zugute“, so Prof. Stefan.

Im neuen MEG sind zwei Verfahren zur Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns verfügbar

„Die Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns ist eine seit vielen Jahren in der klinischen Routinediagnostik bewährte Methode“, sagte Prof. Stefan. Die mittels Elektroden von der Kopfoberfläche registrierten Daten, die als Kurven dargestellt werden, bezeichnet man als Elektroenzephalogramm (EEG).

Ein weiteres, jüngeres Verfahren zur Untersuchung der Hirnaktivität ist die sogenannte Magnetenzephalografie (MEG) bzw. das Magnetenzephalogramm (ebenfalls mit MEG abgekürzt). Mit dieser Technik ist es möglich, die naturgemäß im Zusammenhang mit der elektrischen Hirnaktivität auftretenden Magnetfelder aufzuzeichnen. Beide Verfahren können unabhängig oder zusammen im neuen MEG-Gerät genutzt werden.

Sowohl aus EEG- als auch aus MEG-Daten können dann mittels der sogenannten „Quellen­analyse“ die Orte im Gehirn bestimmt werden, die die gemessene Aktivität erzeugen. So ist es möglich, den Ursprungsort epileptischer Aktivität zu bestimmen, oder auch die Lage sogenannter „funktioneller Areale“, d. h. der Teile des Gehirns, die für spezifische Funktionen zuständig sind (Bewegung, Empfindung etc.). Beides kann dann im Erlanger Epilepsiezentrum z. B. für die Planung eines chirurgischen Eingriffes verwendet werden und sogar während der Operation zur „Neuronavigation“ eingesetzt werden.

„Der Vorteil des MEG ist hierbei, dass Magnetfelder von den Geweben, die das Gehirn umgeben (Knochen, Haut etc.) bzw. dem Gehirngewebe selbst, nicht verzerrt werden“, sagte Prof. Stefan. Dies kann jedoch beim EEG der Fall sein. Diese Verzerrung ist insbesondere dann relevant, wenn bei einem Patienten z. B. Knochenlücken im Schädel vorliegen (von früheren Operationen, einem Unfall etc.). Auch wenn größere Abweichungen von einer „normalen“ Anatomie vorliegen, wie unterschiedliche Größen der Hirnhälften oder aber Läsionen (wie Tumoren, Gefäßmissbildungen) im Gehirn selbst, können solche Verzerrungen Ungenauigkeiten der Quellenanalyse oder auch der konventionellen Diagnostik bewirken.

Weiterhin haben EEG und MEG unterschiedliche Empfindlichkeiten für Hirnaktivität verschiedener Regionen. So konnten Studien zeigen, dass es epileptische Spikes gibt: kurze Entladungen zwischen Anfällen, die nur im MEG sichtbar sind ebenso wie solche, die man nur im EEG bzw. durch beide Methoden sieht. Um daher möglichst viel Information zu gewinnen, werden EEG- und MEG-Messungen in einer Untersuchung kombiniert.

Die Messung selbst erfolgt rein passiv, es werden also keine Magnetfelder erzeugt. Das heißt, es wird das erfasst, was von sich aus in der Hirnaktivität auftritt bzw. ausgelöst („evoziert“) wird durch bestimmte, zur Analyse gehörende Reize. Die Untersuchung ist daher ungefährlich und schmerzfrei, jedoch erfordert sie, dass der Patient während der Messung ruhig sitzen bzw. liegen bleibt, da jede Bewegung eine entsprechende Ungenauigkeit erzeugt.

Aufgrund der sehr schwachen Felder muss eine Anzahl technischer Vorkehrungen getroffen werden, um die Hirnaktivität registrieren zu können. Die augenscheinlichste ist die sogenannte magnetische Abschirmkammer: ein kleiner Raum, in dem sich das MEG-Gerät befindet. Diese Kammer verfügt über Wände aus speziellen Materialien, die magnetische Felder (z. B. das Erdmagnetfeld, durch elektrische Leitungen erzeugte Störfelder etc.) abschirmen, dabei jedoch weder schall- noch luftdicht sind. Die Untersuchung selbst besteht aus mehreren Messungen, die insgesamt – mit Vor- und Nachbereitung – ca. zwei Stunden einnehmen.

Die MEG-Untersuchung erfolgt ohne Berührung mit dem Ableitesystem und ist für die Patienten daher ein nicht belastendes Verfahren. Weitere Informationen für Patienten sind telefonisch unter 09131/85-34455 oder online erhältlich: www.epilepsiezentrum.uk-erlangen.de.

Weitere Informationen für die Medien:

Johannes Eissing

Tel.: 09131/85-36102

presse@uk-erlangen.de

uni | mediendienst | aktuell Nr. 185/2011 vom 1.7.2011

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